Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weber, Ines [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0129

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
114

Die Ehe im Kontext der frühmittelalterlichen Gesellschaft

sind, spart sie gerade aus. Es ist kein Wort darüber zu lesen, dass die Frauen sich
ihren Männern unterordnen sollen wie dem Herrn Christus, weil der Mann das
Haupt der Frau ist wie Christus das Haupt der Kirche (Eph 5,22-24). Vielmehr fährt
der Schreiber mit dem siebten Kapitel des Korintherbriefes fort, ebenfalls unter
Aussparung des Kontextes »Der Mann hat nicht die Macht über seinen Körper,
sondern die Frau; gleichermaßen hat auch die Frau nicht die Macht über ihren Kör-
per, sondern der Mann.« Und weiter: »Der Mann, so sagt er [d.h. Paulus], leiste der
Ehefrau die eheliche Pflicht, gleichermaßen auch die Ehefrau dem Mann.«'^ Folg-
lich will der Aussteller der Urkunde sich »vor Gott« mit der erwählten Frau verlo-
ben, um dem göttlichen Befehl zu gehorchen: »Denn der Allmächtige hat gesagt:
Wachset und mehret euch und bevölkert die Erde<«.^ Erst jetzt folgen die bekann-
ten Redewendungen zur Eheschließung und das eigentliche Schenkungsverspre-
chen.
Da der Ehefrau im frühmittelalterlichen Erbrecht Vermögensteile in der Regel
erst nach den Kindern und Verwandten des Ehemannes vermacht werden,^ kön-
nen die ausgewählten Bibeltexte nicht nur als Ausdruck liturgischen Handelns ver-
standen werden, sondern auch als Rechtfertigung dessen, was der Mann im Folgen-
den besiegeln will. Dann wäre ihre Position im einleitenden Teil der Formula
überaus treffend gewählt. Weil die Frau dem Mann gleichgeordnet, die Ehe als sol-
che ein Gut (äowMm) und auf Kinder ausgerichtet ist, soll es nicht sein, dass die Frau
als Partnerin in diesem Geschehen zunächst von allem Erbe ausgeschlossen ist und
nur aus zweiter Hand Güter erhielte, die ihr eigentlich zuerst zuständen. Umso
mehr ist es Ausdruck der Achtung der Frau, wenn der Mann ihr außerhalb des Erb-
gangs eine bestimmte Anzahl an Gütern vermachen will. In diesem Sinne über-
schreiben fast alle Formulae entweder das Vermögen zur Hälfte der Frau oder ver-
legen es in das gemeinschaftliche Verfügungsrecht der Gatten.^ Kaum deutlicher
könnte die Hochschätzung der Frau einschließlich der Sorge um die finanzielle Ab-
sicherung nach dem Tod des Ehemannes zum Ausdruck kommen. Der Duktus ein-
zelner Formulae-Sammlungen passt sich damit in die bereits analysierten Inhalte
ein. Themenkreise, die im Folgenden noch zu untersuchen sind, werden diese
Gleichrangigkeit der Geschlechter auf andere Weise bestätigen.

143 Auf die Gefahr der Unzucht geht er gerade nicht ein und rät zur Verheiratung.
144 Formulae extravagantes 1,9 (MGH.Formulae Merowingici et Karolini aevi), S. 538f [Anhang F
46,1, S. 132].
145 Ebd. 1,9 (MGH.Formulae Merowingici et Karolini aevi), S. 538f [Anhang F 46,2, S. 132f].
146 Vgl. HELLMUTH, Frau und Besitz.
147 Vgl. Teil A, III.l.c, S. 92-95 und vgl. Teil A, IV.2, S. 120-131.
 
Annotationen