VIII. Die Eheschließung als konsensuelles Geschehen
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verordnet, den zweiten Gatten zugunsten des ersten wieder zu entlassen/' Anders
gestaltet sich der Fall jedoch, wenn der Gatte nach dem Tod der Frau erneut heiratet,
dann jedoch als abhängiger Mensch. In diesem Fall wird auch die zweite Ehefrau in
bekannter Weise abhängig. Die erste Ehefrau, die unverschuldet in Abhängigkeit
geraten war, bleibt verschont. Die zweite Frau hingegen weiß zum Zeitpunkt der
Hochzeit um den Rechtsverlust des Mannes und muss daher mit den Konsequen-
zen lebenA
Die eben genannten Rechtsstatuswechsel wirken sich jedoch nicht nur auf den
Gatten selbst, sondern ebenso auf seine Nachkommen aus. Ändert sich im Laufe
des Lebens der Kinder der Status des Vaters, ohne dass der Ehegatte oder die Kin-
der es mitverschuldet haben, so gilt für die Kinder, was bereits für den Partner erör-
tert worden ist: »Als erstes von allem haben wir beschlossen, dass jene Abhängig-
keitsurkunden, die im Blick auf einzelne Männer (Pommes) gemacht worden sind,
die sich selbst und ihre Ehefrauen, Söhne und Töchter in die Abhängigkeit geführt
haben, [dass jene Abhängigkeitsurkunden] dort, wo sie [d.h. die Urkunden] gefun-
den worden sind, vernichtet werden; und dass sie [d.h. Ehefrau und Kinder] selbst
frei sein sollen, so wie sie es vorher gewesen sind.«" Geraten die Kinder unverschul-
det in Abhängigkeit, haben sie wie ihre Mutter das Recht auf Freilassung.^ In die
gleiche Richtung argumentieren die Bußbücher, die über das Los der Kinder zu ent-
scheiden haben, deren Mutter im Verlauf der Schwangerschaft ihren Rechtsstatus
ändert. Ist sie zum Zeitpunkt der Zeugung noch frei, kann sie im Moment der Ge-
burt bereits abhängig sein. Das Kind bleibt dann frei/' wohingegen im umgekehr-
ten Fall - die Frau ist zum Zeitpunkt der Zeugung noch abhängig - der Nachkomme
abhängig wird. ' Genauso argumentieren die Canones Gregorii: »Wenn jemand
eine schwangere, zuvor freie Frau erwirbt, [so] ist das erste Kind, das gezeugt wor-
den ist, ein abhängiger Mann.«'" Die Statusfrage dürfte sich weniger auf das Kind
beziehen, das die Frau zum Zeitpunkt des Kaufes austrägt - das nämlich wäre noch
frei -, als auf das nächste, das gezeugt wird, weil die Frau dann bereits abhängig
ist.
72 Vgl. Teil A, V.3.e, S. 183; vgl. Paenitentiale Pseudo-Theodori IV,19,24 (ed. WASSERsenLEBEN),
S. 583 [Anhang P 321, S. 288] und vgl. Paenitentiale Vindobonense B c. 42,21 (ed. MEENs), S. 428
[Anhang P 226, S. 260]; vgl. ebd. c. 42,23 (ed. MEENs), S. 428 [Anhang P 228, S. 260]; vgl. Hraba-
nus Maurus, Poenitentium liber ad Otgarium Cap. 7 (PL 112), S. 1408D1 [Anhang P 300, S. 280];
vgl. Paenitentiale Vigilanum c. 84 (ed. BEZLER), S. 11 [Anhang P 362, S. 298]; vgl. Paenitentiale
Silense c. 148 (ed. BEZLER), S. 301 [Anhang P 381, S. 302]; vgl. Conlessionale Pseudo-Egberti c. 26
(ed. WASSERSCHLEBEN), S. 311 [Anhang P 457,2, S. 322].
73 Vgl. Capitulare Olonnense a. 822/823 c. 4 (MGH.Cap 1), S. 317 [Anhang Cap 65, S. 194].
74 Karoli magni notitia Italica a. 776 c. 1 (MGH.Cap 1), S. 187 [Anhang Cap 35, S. 182]; vgl. Edictum
Pistense a. 864 c. 34 (MGH.Cap 2), S. 3261 [Anhang Cap 75, S. 1981]; vgl. Collectio capitularium
Ansegisi abbatis 3,29 (MGH.Cap.N.S. 1), S. 5861 [Anhang Cap 70, S. 198].
75 Vgl. Capitulare Olonnense a. 822/823 c. 4 (MGH.Cap 1), S. 317 [Anhang Cap 65,1, S. 194]; vgl.
Collectio capitularium Ansegisi abbatis 3,29 (MGH.Cap.N.S. 1), S. 5861 [Anhang Cap 70, S. 198];
vgl. Edictum Pistense a. 864 c. 34 (MGH.Cap 2), S. 3261 [Anhang Cap 75, S. 1981].
76 Vgl. Judicia Theodori D c. 108 (ed. FiNSTERWALDER), S. 247 [Anhang P 26, S. 216].
77 Vgl. ebd. c. 109 (ed. FiNSTERWALDER), S. 247 [Anhang P 27, S. 216].
78 Judicia Theodori G c. 178 (ed. FiNSTERWALDER), S. 269 [Anhang P 83, S. 224]; vgl. Conlessionale
Pseudo-Egberti c. 25 (ed. WASSERSCHLEBEN), S. 3101 [Anhang P 456,4, S. 320].
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verordnet, den zweiten Gatten zugunsten des ersten wieder zu entlassen/' Anders
gestaltet sich der Fall jedoch, wenn der Gatte nach dem Tod der Frau erneut heiratet,
dann jedoch als abhängiger Mensch. In diesem Fall wird auch die zweite Ehefrau in
bekannter Weise abhängig. Die erste Ehefrau, die unverschuldet in Abhängigkeit
geraten war, bleibt verschont. Die zweite Frau hingegen weiß zum Zeitpunkt der
Hochzeit um den Rechtsverlust des Mannes und muss daher mit den Konsequen-
zen lebenA
Die eben genannten Rechtsstatuswechsel wirken sich jedoch nicht nur auf den
Gatten selbst, sondern ebenso auf seine Nachkommen aus. Ändert sich im Laufe
des Lebens der Kinder der Status des Vaters, ohne dass der Ehegatte oder die Kin-
der es mitverschuldet haben, so gilt für die Kinder, was bereits für den Partner erör-
tert worden ist: »Als erstes von allem haben wir beschlossen, dass jene Abhängig-
keitsurkunden, die im Blick auf einzelne Männer (Pommes) gemacht worden sind,
die sich selbst und ihre Ehefrauen, Söhne und Töchter in die Abhängigkeit geführt
haben, [dass jene Abhängigkeitsurkunden] dort, wo sie [d.h. die Urkunden] gefun-
den worden sind, vernichtet werden; und dass sie [d.h. Ehefrau und Kinder] selbst
frei sein sollen, so wie sie es vorher gewesen sind.«" Geraten die Kinder unverschul-
det in Abhängigkeit, haben sie wie ihre Mutter das Recht auf Freilassung.^ In die
gleiche Richtung argumentieren die Bußbücher, die über das Los der Kinder zu ent-
scheiden haben, deren Mutter im Verlauf der Schwangerschaft ihren Rechtsstatus
ändert. Ist sie zum Zeitpunkt der Zeugung noch frei, kann sie im Moment der Ge-
burt bereits abhängig sein. Das Kind bleibt dann frei/' wohingegen im umgekehr-
ten Fall - die Frau ist zum Zeitpunkt der Zeugung noch abhängig - der Nachkomme
abhängig wird. ' Genauso argumentieren die Canones Gregorii: »Wenn jemand
eine schwangere, zuvor freie Frau erwirbt, [so] ist das erste Kind, das gezeugt wor-
den ist, ein abhängiger Mann.«'" Die Statusfrage dürfte sich weniger auf das Kind
beziehen, das die Frau zum Zeitpunkt des Kaufes austrägt - das nämlich wäre noch
frei -, als auf das nächste, das gezeugt wird, weil die Frau dann bereits abhängig
ist.
72 Vgl. Teil A, V.3.e, S. 183; vgl. Paenitentiale Pseudo-Theodori IV,19,24 (ed. WASSERsenLEBEN),
S. 583 [Anhang P 321, S. 288] und vgl. Paenitentiale Vindobonense B c. 42,21 (ed. MEENs), S. 428
[Anhang P 226, S. 260]; vgl. ebd. c. 42,23 (ed. MEENs), S. 428 [Anhang P 228, S. 260]; vgl. Hraba-
nus Maurus, Poenitentium liber ad Otgarium Cap. 7 (PL 112), S. 1408D1 [Anhang P 300, S. 280];
vgl. Paenitentiale Vigilanum c. 84 (ed. BEZLER), S. 11 [Anhang P 362, S. 298]; vgl. Paenitentiale
Silense c. 148 (ed. BEZLER), S. 301 [Anhang P 381, S. 302]; vgl. Conlessionale Pseudo-Egberti c. 26
(ed. WASSERSCHLEBEN), S. 311 [Anhang P 457,2, S. 322].
73 Vgl. Capitulare Olonnense a. 822/823 c. 4 (MGH.Cap 1), S. 317 [Anhang Cap 65, S. 194].
74 Karoli magni notitia Italica a. 776 c. 1 (MGH.Cap 1), S. 187 [Anhang Cap 35, S. 182]; vgl. Edictum
Pistense a. 864 c. 34 (MGH.Cap 2), S. 3261 [Anhang Cap 75, S. 1981]; vgl. Collectio capitularium
Ansegisi abbatis 3,29 (MGH.Cap.N.S. 1), S. 5861 [Anhang Cap 70, S. 198].
75 Vgl. Capitulare Olonnense a. 822/823 c. 4 (MGH.Cap 1), S. 317 [Anhang Cap 65,1, S. 194]; vgl.
Collectio capitularium Ansegisi abbatis 3,29 (MGH.Cap.N.S. 1), S. 5861 [Anhang Cap 70, S. 198];
vgl. Edictum Pistense a. 864 c. 34 (MGH.Cap 2), S. 3261 [Anhang Cap 75, S. 1981].
76 Vgl. Judicia Theodori D c. 108 (ed. FiNSTERWALDER), S. 247 [Anhang P 26, S. 216].
77 Vgl. ebd. c. 109 (ed. FiNSTERWALDER), S. 247 [Anhang P 27, S. 216].
78 Judicia Theodori G c. 178 (ed. FiNSTERWALDER), S. 269 [Anhang P 83, S. 224]; vgl. Conlessionale
Pseudo-Egberti c. 25 (ed. WASSERSCHLEBEN), S. 3101 [Anhang P 456,4, S. 320].