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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0012

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12

Zur Einführung

b) Texturen des Forschungsfeldes
»Von konfusen Köpfen geschichtet, von klareren gesichtet; kritisch und unkritisch
behandelt von Berufenen und Unberufenen«, so beschrieb im Jahr 1925 der Berliner
Ethnologe Hans Mützel den Stand der europäischen Kleidungsforschung. Tatsäch-
lich beeindruckt auf den ersten Blick die Fülle der internationalen Publikationen
zur Modegeschichte und Modeentwicklung seit Beginn des 19. Jahrhunderts2. Das
vielfältige Bemühen, sich in den »Vollbesitz des zur Darstellung des Mittelalters
erforderlichen, weitschichtigen, literarischen und bildlichen Stoffs« zu setzen3, er-
folgte jedoch zunächst aus vornehmlich antiquarischem Interesse. Im Gefolge von
Malerei und Theater im Zeitalter des Historismus sollte etwa »das vor allem dem
bildenden Künstler zu seinen Kostümstudien erforderliche Material (...) zu einem
Leitfaden«4 zusammengefaßt, ein »Vade mecum du peintre, ou recueil de costumes
du Moyen Âge«5 erstellt werden. Eine sozial- und kulturanthropologisch ausge-
richtete Auseinandersetzung mit dem Thema Kleidung blieb von wenigen Aus-
nahmen abgesehen über lange Zeit hinweg ein »Aschenbrödel der Wissenschaft«6:
»Eine solche, will sie den Ansprüchen der Wissenschaft genügen, wird wohl noch
lange nicht geschrieben werden können, da die nötigen Vorarbeiten noch nicht weit
genug gefördert sind«, urteilte 1925 der Kulturschriftsteller Max von Boehn7. »Denn
nur mit der Beherrschung des gesammten vorliegenden und erreichbaren Mate-
rials ausgerüstet, kann man sich an dieselbe wagen: mit ein paar hie und da auf ge-
rafften Notizen schreibt man keine Culturgeschichte«, so hatte drei Jahrzehnte
früher bereits der Kunsthistoriker Alwin Schultz befunden8.

2 Hans Mützel, Vom Lendenschurz zur Modetracht. Aus der Geschichte des Kostüms, Berlin
1925, S. 1. Eine Differenzierung zwischen älteren ethnographischen Mode- und Trachten-
büchern und der historischen Kostümforschung fällt schwer. Vgl. beispielhaft die frühesten
Werke der deutschen Kostümgeschichte: Robert von Spalart, Versuch über das Kostüm der
vorzüglichsten Völker des Alterthums, des Mittelalters und der neueren Zeiten, fortges. von Ja-
kob Kaiserer, 2. Abt., Wien 1796-1804; Hermann Hauff, Moden und Trachten. Fragmente zur
Geschichte des Costüms, Stuttgart 1840; Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck, Trachten des
christlichen Mittelalters, 3 Bde., Darmstadt 1840-1854; Jacob von Falke, Die deutsche Trachten-
und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte, Theil 1 (Deutsches Leben 1), Leip-
zig 1858; Hermann Weiss, Kostümkunde. Handbuch der Geschichte der Tracht, des Baues und
des Geräthes von der frühesten Zeit bis auf die Gegenwart, Bd. 2: Geschichte der Trachten und
des Geräthes im Mittelalter vom 4ten bis zum 14ten Jahrhundert, Stuttgart 1864; Karl Köhler,
Die Entwicklung der Tracht in Deutschland während des Mittelalters und der Neuzeit mit be-
sonderer Berücksichtigung der jezeitigen, für die einzelnen Kleidungsstücke üblichen Herstel-
lungsweise, Nürnberg 1877; Friedrich Hottenroth, Trachten, Haus-, Feld- und Kriegsgeräth-
schaften der Völker alter und neuer Zeit, 2 Bde., Stuttgart 1879-1891.
3 Weiss, Kostümkunde, S. XV.
4 Ebd. S. 10.
5 Félix de Vigne, Vade mecum du peintre, ou recueil de costumes du Moyen Age, pour servir à
l'histoire de la Belgique et pays cir convoi sin s, 2 Bde., Gand 1835-1840.
6 Norbert Stern, Mode und Kultur, 2 Bde., Dresden 1915, Bd. 1, S. 9.
7 Max von Boehn, Die Mode: Menschen und Moden im Mittelalter vom Untergang der Alten Welt
bis zur Renaissance, München 1925, Vorwort o.S.
8 Alwin Schultz, Das Höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, 2 Bde., Leipzig 21889, hier Bd. 1,
S. 222-359 (Zitat S. Xf.); vgl. auch die kulturgeschichtlich motivierte Stoffsammlung von Georg
Grupp, Kulturgeschichte des Mittelalters, 6 Bde., Paderborn 1907-1925, hier speziell Bd. 3,
S. 284ff., 350-361, sowie die Bildquellensammlung von Paul Post, in: Deutscher Kulturatlas.
Bd. 2: Vom Ritter zum Patrizier, Berlin 1928-1937, Taf. 21a-h.
 
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