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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0143

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II. Angebot und Auslegung:
Politik im Zeichen der Kleidung

Wie vii lent / so vil heut.
Wir haben nit all einn kopff
miisten sunst all einn hüt haben
Christian Egenolff, Sprichwörter

1. Die Diplomatie der Kleider

a) Die Wahl des Gewandes:
Spielräume und Wirkungsweisen politischer Kleiderarrangements
Seine Identität als König von Böhmen und aussichtsreicher Aspirant auf die Kro-
nen Polens und Ungarns wußte der Premyslide Wenzel II. eindrucksvoll in Szene
zu setzen. Auf dem Hoftag zu Nürnberg leistete er im November 1298 »mit wertvol-
lem Gewand und einem Reitpferd, das auf tausend Mark Silbers geschätzt wurde«, dem
römischen König Albrecht I. den traditionellen Dienst als Mundschenk1. Zu einer
solch imposanten Demonstration seines Reichtums und Ranges hatte er indes allen
Grund. Denn mit dem Amt des Schenken war zugleich die Verpflichtung verbun-
den, dem neuen Reichsoberhaupt vor den Augen der versammelten Fürsten in
dienstfertig kniender Haltung einen weingefüllten Pokal zu kredenzen2. Will man
dem ausführlichen Bericht der österreichischen Reimchronik des Ottokar von
Steier Glauben schenken, so verband sich mit diesem Akt der symbolischen Unter-
ordnung in Nürnberg mithin zusätzliche Brisanz3: Unter umgekehrten Vorzeichen

1 Chronicon Colmariense, hrsg. von Philipp Jaffé, MGH SS 17, Hannover 1861, S. 240-270, S. 267:
Rex vero Boemus cum pretiosissima veste et equo, qui ad mille marcas estimabatur, sedens vinum in
scypho aureo sibi porrexit.
2 Vgl. Sebastian Kreiker, Art. Mundschenk, in: LexMA, Bd. 6 (1993), Sp. 908; Ernst Schubert, Erz-
und Erbämter am hoch- und spätmittelalterlichen Königshof, in: Deutscher Königshof, Hoftag
und Reichstag im späteren Mittelalter, hrsg. von Peter Moraw (Vorträge und Forschungen 48),
Stuttgart 2002, S. 191-237, hier S. 219f., 224. Zur kontroversen Diskussion um die verfassungs-
geschichtliche Bedeutung der Hofämter Karl-Friedrich Krieger, König, Reich und Reichs-
reform im Spätmittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 14), München 1992, S. 64-71.
Zum symbolischen Stellenwert der Ehrendienste vgl. Gerd Althoff/Christiane Witthöft, Les
services symboliques entre dignité et contrainte, in: Annales. Histoire, Sciences Sociales 58
(2003), S. 1293-1318; Gerald Schwedler, Dienen muss man dürfen - oder: Die Zeremonialvor-
schriften der Goldenen Bulle zum Krönungsmahl des römisch-deutschen Herrschers, in: Die
Welt der Rituale. Von der Antike bis heute, hrsg. von Claus Ambos/Stephan Hotz/Gerald
Schwedler/Stefan Weinfurter, Darmstadt 2005, S. 156-166.
3 Für den Realitätsgehalt der Reimchronik plädiert Alexander Begert, Böhmen, die böhmische
Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kur-
 
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