Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0201

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Non cessit nobis nudum imperium.
Virtute sua amictum venit, ornamenta sua secum traxit
Otto von Freising, Gesta Frederici II32

3. Die Spielarten der Auszeichnung

a) Vorsprung durch Verharren - Das Herrscherkleid als Auszeichnungsmittel
Die Funktionalität der Kleiderpracht
Die altehrwürdigen Gewandstücke, die Kaiser Friedrich III. sich anläßlich seiner
Kaiserkrönung am 19. März 1452 nach Rom hatte bringen lassen, boten seinem Bio-
graphen Enea Silvio Piccolomini Anlaß zur zeitkritischen Reflexion. War der aus
Nürnberg gelieferte Kleiderbestand tatsächlich derjenige Karls des Großen, so
wirkte er auf den gelehrten Humanisten doch seltsam schmucklos. Ja, im Vergleich
mit den außerhalb des Krönungszeremoniells verwendeten Prachtkleidern Fried-
richs III. ließ sich der traditionelle Ornat geradezu als »bäuerisch« betiteln1. Sollte
der mächtige Frankenherrscher sich tatsächlich derartiger Stücke bedient haben, so
Piccolomini, »dann haben zweifellos die früheren Fürsten und Könige nicht so sehr nach
dem Schmuck der Gewandung, sondern vielmehr nach dem Ruhm ihres Namens gestrebt
und lieber glänzende Taten verrichten als schimmernde Gewänder tragen wollen.«2 Und
selbst wenn die Bestandteile des Ornats, wie der Autor scharfsinnig vermutete,
einer weit jüngeren Epoche angehörten, so böten sie doch ein treffendes Exempel
für das Fortschreiten politisch-moralischer Degeneration. Denn offenbar bestehe
die sichtbare Leistung der Gegenwart vornehmlich in der Entfaltung modischen
Prunks. Mit Blick auf das zeitweise paralysierte Regiment spätmittelalterlicher
Kaiser schloß der Chronist seine Betrachtungen daher resignativ seufzend: »Wenn
wir doch die Alten so sehr an Tüchtigkeit überträfen, wie wir ihnen an Eitelkeit voraus
sind!«3.
Das ins Gewand der Gegenwartskritik gekleidete humanistische Lob der alten
Zeiten enthüllt Bemerkenswertes über die Kleiderwahl mittelalterlicher Herrscher.
Offenbar folgte zumindest der zeremonielle Ornat des Königs eigenen Gesetz-
mäßigkeiten, die ihn eng an die Traditionslinie der Amtsvorgänger band. Die poli-
tische Bilanzierung Piccolominis verweist auf einen hohen symbolischen Profit,
der aus dem Beharren auf altüberkommene Herrschaftszeichen zu ziehen war. Daß
dieser Vorsprung durch das Verharren in stabilen Formen und Zeichen durchaus
als diskursiv geprägte Sichtweise mittelalterlicher Betrachter zu werten ist, doku-

1 Eneas Silvius Piccolomini, Historia Austrialis, hrsg. von Julia Knödler/Martin Wagendorfer,
2 Bde., MGH SS rer. Germ. NS 24, Hannover 2009, IV. S. 614: ut vestes Caroli rusticana putes..
2 Eneas Silvius Piccolomini, Historia Austrialis IV. S. 615: Quod si tales Caroli Magni ornatus fuere,
constat principes regesque vetustiores non tam vestis ornatum quam nominis gloriam quesivisse ac facere
magis quam vestiri splendide voluisse (Übers. Sarnowsky, S. 381).
3 Ebd.: Utinam veteres tam virtute superamus quam vanitate praestamus (Übers. Sarnowsky, S. 383).
 
Annotationen