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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0170

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170

II. Angebot und Auslegung: Politik im Zeichen der Kleidung

Walther zumindest bereit war, neue Kleidungsstücke als Entlohnung und Zeichen
der Zugehörigkeit zu einem Hof und seinem ingesinde zu akzeptieren63.

c) Verordnete Identität: Die integrative Funktion der Kleidung
Offenbar wies die Semantik gleicher Kleidung eine Spielart auf, die eine hierarchi-
sche Unterordnung des Empfängers markierte und sich entsprechend nicht mehr
des Vokabulars der freundschaftlichen Gleichrangigkeit bediente: So sah sich Graf
Otto von Zweibrücken 1309 genötigt, gegenüber den rheinischen Pfalzgrafen
Rudolf und Ludwig zu versprechen, ir gewandt zu tragen und ewiglich ihr Diener zu
sein64. Im Zeichen einer militärischen Niederlage des Grafen stehend, kann dieser
Passus zweifellos als Machtgestus des siegreichen Brüderpaars gedeutet werden.
Er zielte offenbar auf eine erzwungene Eingliederung des Zweibrückers in die
herrschaftliche Klientel der Pfalzgrafen. Die genannten Gewandstücke sollten die
fortan verbindliche »Identifizierung des Trägers mit den pfalzgräflichen Interes-
sen« sichtbar machen65.
Das Bestreben, über ein uniformes Erscheinungsbild politisch-herrschaftliche
Bindungen zu markieren, hatte an der Wende zum 14. Jahrhundert unter den Für-
sten des Reiches offenbar bereits erhebliche Dimensionen erlangt66. Gleichfalls im
Jahr 1309 berichtet die Chronik des Johann von Viktring, Herzog Friedrich >der
Schöne< von Österreich sei »mit vierhundert Rittern im Schmuck gleicher Kleider sehr
ruhmreich und prunkend« zum Krönungsfest des Luxemburgers Heinrich VII.
erschienen67. Sein Vater, König Albrecht I., soll zehn Jahre zuvor zum Treffen mit

63 Walther von der Vogelweide, Leich, II, 38,3, S. 137 (= L 65,5); 1,12,15, S. 67 (= L 35,7): Ich bin des mit-
ten lantgraven ingesinde. So erhielt der cantor Waltherus de Vogelweide 1203 auf Geheiß des Bi-
schofs Wolfger von Passau fünf solidi longi für den Kauf eines Pelzes, vgl. Hedwig Heger, Das
Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolf-
ger vor Erla, Wien 1970, S. 86.
64 Zitiert nach: Karl-Heinz Spiess, Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgra-
fen bei Rhein im Spätmittelalter (Geschichtliche Landeskunde 18), Wiesbaden 1978, S. 173. Vgl.
auch Regesten der Pfalzgrafen am Rhein, Bd. 1:1214-1400, hrsg. von Adolf Koch/Eduard Win-
kelmann, Innsbruck 1894, Nr. 1619, S. 96. Zur Fehde siehe Alfons Schäfer, Geschichte der Stadt
Bretten von den Anfängen bis zur Zerstörung im Jahre 1689 (Oberrheinische Studien 4), Karls-
ruhe 1978, S. 78.
65 Spiess, Lehnrecht, S. 173.
66 Vergleichsbeispiele aus Westeuropa liefern: Christian de Mérindol, Couleur, étoffe et politique
à la fin du Moyen Age. Les couleurs du roi et les couleurs d'une cour ducale, in: Actes du 112e
Congrès National des Sociétés Savantes (Lyon, 1987) (Éditions du CTHS), Paris 1989, S. 221-249;
Robert Delort, Notes sur les livrées en milieu de cour au XlVe siècle, in: Commerce, finances et
société (Xle-XVIe siècles). Fs. Henri Dubois, hrsg. von Philippe Contamine/ Thierry Dutour/
Bertrand Schnerb, Paris 1993, S. 361-368.; Frédérique Lachaud, Les livrées de textiles et de
fourrures à la cour d'Edouard 1er, in: Le Vêtement. Histoire, archéologie et symbolique vesti-
mentaires au Moyen Age (Cahiers du Léopard d'Or 1), Paris 1989, S. 169-180; ders.. Liveries of
robes in England, c. 1200—c. 1330, in: English Historical Review 111 (1996), S. 279-298; Malcolm
Vale, The Princely Court: Medieval Courts and Culture in North West Europe, 1270-1380, Ox-
ford 2001, S. 93-135; Simona Slanicka, Der Krieg der Zeichen. Die visuelle Politik Johanns ohne
Furcht und der armagnakisch-burgundische Bürgerkrieg (Veröffentlichungen des Max-Planck-
Instituts für Geschichte 182), Göttingen 2002, S. 34-37, jeweils mit weiteren Literaturhinweisen.
67 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum. Bd. 2, lib. IV. S. 35: Fridericus autem dux Austrie
cum quadringentis militibus sub apparatu vestiture uniformis valde gloriose venerat et pompose.
 
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