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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0171

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2. Die Spielregeln der Identität

171

Philipp IV. von Frankreich gar 500 Reiter aufgeboten haben, die waren alle glich
gecleidet68. Von den enormen Kosten eines solchen Massenaufgebotes zeugt der
Umstand, daß Herzog Friedrich nach kurzer Zeit einen Teil seines Anhangs entlas-
sen mußte69.
Die einheitliche Einkleidung größerer Gefolgschaftsgruppen basierte zu
Beginn des Spätmittelalters vermutlich auf einer Kombination unterschiedlicher
Traditionselemente. Auf militärischem Gebiet ist der Gebrauch textiler Abzeichen
sporadisch seit dem 9. Jahrhundert bezeugt70. Wenn bereits anläßlich der Schlacht
von Andernach im Jahr 876 verzeichnet ist, Ludwig der Jüngere habe seine Streiter
»als Erkennungszeichen ihrer Gemeinschaft« weiße Kleider anlegen lassen, so ist damit
vermutlich noch keine vollständige Uniformierung angesprochen71. Unterschied-
lich gefärbte Stoffkreuze oder Binden genügten bis ins 14. Jahrhundert hinein
gewöhnlich vollauf zur Kennzeichnung der Kombattanten72. Seit dem 12. Jahrhun-
dert mag der Habit der geistlichen Ritterorden73, später auch die Kompaniefarben
der kommunalen Milizen Oberitaliens74 Vorbildcharakter besessen haben75.

68 Sächsische Weltchronik. Thüringische Fortsetzung, hrsg. von Ludwig Weiland, MGH Deutsche
Chroniken 2, Hannover 1877, S. 287-319, S. 308.
69 Johannes von Viktring, Liber certarum historiarum. Bd. 2, lib. IV., S. 35: Rex responsionis ordinem
distulit et Friderico expensarum pondus aggravavit, quousque sarcinam dimissis quibusdam militibus
leviavit.
70 Frühe Belege gesammelt bei Malte Prietzel, Kriegführung im Mittelalter. Handlungen, Erin-
nerungen und Bedeutungen (Der Krieg in der Geschichte 32), Paderborn 2006, S. 203f.
71 Annales Fuldenses sive Annales regni Francorum orientalis, hrsg. von Friedrich Kurze, MGH
SS rer. Germ. 7, Hannover 1891, a. 876, S. 88: iussitque omnes ex sua parte candidis uti vestibus pro
signo cognoscendae societatis. Vgl. dazu Prietzel, Kriegführung, S. 203L, der die berechtigte Frage
stellt, »woher denn plötzlich das ganze Heer weiße Kleidung bekommen sollte«.
72 Nationale Kreuzzugskontingente wurden 1188 mit verschiedenfarbigen Stoffkreuzen versehen,
vgl. Gesta Regis Henrici Secundi Benedicti Abbatis, Bd. 2, S. 30: Nam rex Franciae et gens sua cru-
ces rubeas susceperunt, et rex Angliae et gens sua cruces albas susceperunt, et comes Flandriae cum gente
sua cruces virides suscepit. Anläßlich der Schlacht auf dem Marchfeld 1278 brachten beide Seiten
farbige Stoffkreuze auf ihren Kleidern an, vgl. Chronicon Colmariense, a. 1278, S. 250: Omnis
exercitus regis Rudolfi alba cruce desuper utebatur; sed Bohemie regis exercitus crucem viridem deferebat.
Weitere Belegstellen hierzu bei Lutz Fenske, Adel und Rittertum im Spiegel früher heraldischer
Formen und deren Entwicklung, in: Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Beiträge zu einer ver-
gleichenden Formen- und Verhaltensgeschichte des Rittertums, hrsg. von Josef Fleckenstein
(Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 80), Göttingen 1985, S. 75-160,
S. 145. Stoffabzeichen und Livreen im Kontext innerenglischer Auseinandersetzungen 1265 er-
wähnt Matthäus von Westminster, Flores Historiarum, hrsg. von Henry Richard Luard, 3 Bde.
(Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 57), London 1890, Bd. 3, S. 4ff., der zugleich auf die
Notwendigkeit einer solchen Kennzeichnung aufmerksam macht: unus miles et unus armiger eo
quod signum suorum commilitonum in brachio non portassent, a sociis suis ut fertur interfecti sunt. Vgl.
zur weiteren Entwicklung Lachaud, Liveries of robes, S. 295f.
73 Wenn Otto Gerhard Oexle, Die Kultur der Rebellion: Schwureinung und Verschwörung im
früh- und hochmittelalterlichen Okzident, in: Ordnung und Aufruhr im Mittelalter. Histori-
sche und juristische Studien zur Rebellion, hrsg. von Marie Theres Fögen (Studien zur Europä-
ischen Rechtsgeschichte 70), Frankfurt a.M. 1995, S. 119-137, S. 127, die Kleidung der zwischen
1182 und 1184 in Frankreich auftretenden >Kapuzenleute< das »erste bekannte Beispiel einer sol-
chen Uniformierung« nennt, übersieht er den Habit der Ritterorden.
74 Vgl. exemplarisch Caffaro und Kontinuatoren, Annales Ianuenses a. 1099-1294, hrsg. von Georg
Heinrich Pertz, MGH SS 18, Hannover 1863, S. 1-356, a. 1241, S. 189: et arma per compagnas diver-
sis coloribus designantes.
75 Pointiert formuliert Lachaud, Liveries of robes, S. 297: »The battlefield was the place for innova-
tions, not the court.«
 
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