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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0246

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246

II. Angebot und Auslegung: Politik im Zeichen der Kleidung

Fortsetzung nicht nur in Münzbildern, Bauplastik und Kunsthandwerk, sie wurde
auch im Medium der Kleidung kontinuierlich weitergeführt254. Auch der dem Kai-
ser ins Grab gegebene Mantel soll nach den 1784 veröffentlichten Beobachtungen
Francesco Danieles reich mit aquiletti bestickt gewesen sein255.
An der Wende zum Spätmittelalter gehörte die Zukunft im römisch-deutschen
Krönungsornat jedoch nicht einem adlergeschmücktes Gewandstück. In der Krise
des Interregnums wurde vielmehr ein mehr als hundert Jahre altes Textilobjekt
reaktiviert, das sich aus ungeklärter Ursache an der Seite von Lanze, Kreuz und
Krone nördlich der Alpen im Insignienhort des verstorbenen Kaisers erhalten
hatte. Ein Herrschermantel des sizilischen Königs Roger II. avancierte somit zum
zentralen Schaustück des römisch-deutschen Krönungsornats, dem unter Luxem-
burger Herrschaft zeitweise die Aachener Cappa Leonis zur Seite trat256. Der
bemerkenswerte Bruch mit der Repräsentationspraxis spätstaufischer Zeit war
allerdings kein vollständiger: Wie die Österreichische Reimchronik berichtet, tru-
gen sowohl König Adolf von Nassau als auch sein Herausforderer Herzog Albrecht
von Österreich bei ihrem Aufeinandertreffen in der Schlacht von Göllheim 1298 ein
gelbfarbiges Wappenkleid mit eingewirkten schwarzen Adlerfiguren257. Auch die
aus chinesischer Purpurseide wohl im Auftrag Ludwigs des Bayern gefertigte
Adlerdalmatika legt wie zahlreiche künstlerische Erzeugnisse des 14. Jahrhundert
Zeugnis einer fortwirkenden emblematischen Tradition ab258.

d) Selbstdeutungen - Fremddeutungen: Das Beispiel der Kaiserstola
Unsichtbares im Sichtbaren: Sinngebung und Deutungsrahmen
Kostbare Mäntel zählten zweifellos auch in der Folgezeit zum persönlichen Ornat
und repräsentativen Gepränge römisch-deutscher Könige. So präsentierte Kaiser
Friedrich III. seinem böhmischen Gast Leo von Rozmitäl anläßlich seines Besuches
in Graz 1466 einen »Mantel aus rotem Damast, dessen Saum ein aus Perlen und Edelstei-

254 Zurückzuweisen ist hingegen die von Kantorowicz, Friedrich IL, S. 290 und pointierter noch
bei Schaller, Kaiseridee, S. 119f. vertretene Ansicht, Friedrich II. habe sich als Symbol der Un-
sterblichkeit stets in Grün gekleidet. Hierfür fehlen nicht nur direkte Belege zeitgenössischer
Quellen, auch die einzige auf den Kaiser bezogene Erwähnung grüner Kleidung im >Novellino<
ist ausdrücklich mit einem Jagdausflug begründet und spiegelt daher gerade nicht die gängige
Repräsentationsgarderobe.
255 Nach: Schramm/Mütherich, Denkmale, Nr. 215e, S. 198. Auch der Grabornat des 1242 verstorbe-
nen Königs Heinrich (VII.) wies angeblich Achselstücke auf, in die Adler eingewoben waren,
vgl. Huth, Reichsinsignien, S. 326.
256 Ob die erst 1520 als Krönungsmantel Karls V. sicher belegte Cappa Leonis (Aachen, Domschatz-
kammer Inv.Nr. G 88) tatsächlich bereits Karl IV. und Sigismund in gleicher Funktion diente,
muß dahingestellt bleiben.
257 Ottokars Österreichische Reimchronik v. 72649-72652, S. 959: Albreht der fürste rich / ûfein rîchez
tuoch gelvar/manigen swarzen adelar / liiez wurken nach sîner bet.
258 Dazu zuletzt Robert Suckale, Die Hofkunst Ludwigs des Bayern, München 1998, S. 34ff. und
S. 271ff.
 
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