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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0085

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3. Macht und Machbarkeit: Die Mechanismen der Mode

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letztlich ein Fauxpas an höchster Stelle die Initialzündung neuer Modeformen
bewirkt. Freilich bedurfte es in beiden Fällen einer wohltemperierten Mischung aus
überragender Autorität, Kreativität und einem profunden Gespür für die Gunst der
Stunde, um eine Neudefinition des Tragbaren durchzusetzen - im Fall Edwards III.
eine geistreiche Transformation hofinterner Spötteleien in repräsentative Gruppen-
ehre. Das Spiel mit dem Wechsel der Kleidung und Statussymbole war demnach
keineswegs frei von restriktiven Regeln und Beschränkungen. Erst im Verbund mit
relevanten Kräften und Strömungen der Zeit mochte zur erfolgreichen Modeschöp-
fung werden, was funktional betrachtet zunächst als Modetorheit gelten mußte.

b) Wandel und Widerstand: Der Krieg der Mönche um ihr Kleid
Anders als in den bisher behandelten Exempeln lag auf dem komplexen Feld der
allgemeinen Modetrends die Deutungshoheit selten in der Hand eines Einzel-
akteurs. Vielmehr waren es zumeist gruppenspezifische Machtstrukturen und
Interessenkonstellationen, die einen Wandel der Kleiderformen begünstigten.
Diese traten dabei fast unweigerlich in Konkurrenz zu den Trägergruppen etablier-
ter Kleidungskonventionen. Illustrieren läßt sich dies am Beispiel einer scharf
geführten Debatte, die - wenn man so will - den ersten grenzübergreifenden
>Modediskurs< Europas darstellte51. Sie betraf bemerkenswerterweise nicht das
weltliche Gewand, sondern entzündete sich an der Frage des rechten Habits inner-
halb des benediktinischen Mönchtums.
»Lange nämlich währt unter den Mönchen der Kampfund Streit um das Mönchsge-
wand«, so resümierte der Verfasser des Tiber de unitate ecclesiae conservanda<
um das Jahr 1093 den Verlauf dieses Konflikts52. »Den Brüdern gibt man Kleider, die
der Lage und dem Klima des Wohnortes entsprechen«, so hatte es die Regel Benedikts
von Nursia ursprünglich verfügt und vorsorglich ergänzt: »Über die Farbe oder die
Grobheit des Stoffes all dieser Sachen sollen sich die Mönchen nicht beklagen«53. Doch
bald schon wurden die Anordnungen des Mönchsvaters von der Realität monasti-
scher Distinktionsbedürfnisse eingeholt. »Was aber ist mit der Farbe der Kleidung?«,

51 Vgl. dazu bereits Jan Keupp, Das Erwachen der Mode. Momente des Wandels in der Kleiderwelt
des Mittelalters, in: Die Visconti und der deutsche Südwesten. Kulturtransfer im Spätmittelal-
ter, hrsg. von Peter Rückert/Sönke Lorenz (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte 11), Ost-
fildern 2008, S. 281-299, S. 288-291.
52 Liber de unitate ecclesiae conservanda, hrsg. von Wilhelm Schwenkenbecher, MGH Ldl 2, Han-
nover 1892, S. 184-284, II, 42, S. 276: Ergo longum est inter monachos certamen atque discordia de veste
monachica. Zur Diskussion Kassius Hallinger, Gorze - Kluny. Studien zu den monastischen
Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter, 2 Bde. (Studia Anselmiana 22-25), Rom
1950/1, Bd. 2, S. 696-715; Gerd Zimmermann, Ordensleben und Lebensstandard. Die Cura Cor-
poris in den Ordensvorschriften des abendländischen Hochmittelalters (Beiträge zur Ge-
schichte des alten Mönchtums und des Benediktiner Ordens 32), Münster 1973, S. 356-360; Gil
Bartholeyns, Vêtement et corps. La question de l'identité au Moyen Age. Cas laïcs et habit mo-
nastique (XlIe-XIVe siècle), in: Körpermarken - Bildermarken, hrsg. von Thomas Lentes [im
Druck]. Eine ähnlich scharf geführte Debatte präsentiert Fuchs, Wolle oder Leinen.
53 Die Benediktusregel, hrsg. und übers, von Basilius Steidle, Beuron 41980, S. 156, c. 55,1 und 7:
Vestimenta fratribus secundum locorum qualitatem ubi habitant vel aerum temperiem dentur (...) De
quarum rerum omnium colore aut grossitudine non causentur monachi, sed quales inveniri possunt in
provincia qua degunt aut quod vilius comparari possit.
 
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