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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0176

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176

II. Angebot und Auslegung: Politik im Zeichen der Kleidung

der Kleidermoden98. Hofkleider, Farben und Devisen dienten dabei der Visualisie-
rung raumübergreifender Hegemonialnetzwerke, sie waren jedoch gleichfalls
Vehikel der territorial weitgespannten Bündnispolitik innerhalb des Hochadels99.

d) Verweigerte Identität: Die Problematik der Selbstverortung
Äußerst gekränkt zeigte sich vor diesem Hintergrund Herzog Georg von Landshut,
als ihm im Jahr 1490 sein bisheriger Verbündeter die im Zeichen der Kleider getrof-
fene Koalitionsaussage aufkündigte. Der Pfalzgraf habe erkennen lassen, daß er
die färb der wir vnns negst Amberg miteinander vertragen haben in die hawben nit machen,
sonder dieselben hawben ganz Rot thun werde. Der niederbayerische Herzog suchte die-
ser Verweigerung zu begegnen und den öffentlichen Affront zu vermeiden, indem
er seinem Korrespondenzpartner kurzerhand mitteilte: das wir vunnsers tails auch
thun wollen100.
Die vorsorgliche Farbanpassung der herzoglichen Haube verweist auf die Fra-
gilität politischer Anerkennungsrelationen im Zeichen der Kleidung. Erfolgreiche
Selbstverortung innerhalb der Fürstengemeinschaft des Reiches war stets an die
Akzeptanz und Zustimmung der Gleichgestellten gekoppelt. Der zwischen den
Wittelsbacher Linien 1490 geschlossene Kontrakt konnte in Zeiten aufziehender
Konflikte und labiler Machtbalancen erst durch eine kontinuierliche, auch visuelle
Bekräftigung durch die Beteiligten politisch wirksam werden101. Für den Herzog
bestand dabei die latente Bedrohung einer öffentlich sichtbaren Zurückweisung
seines Bündnisbegehrens, das ihn vor den Augen des Reiches in eine isolierte Posi-
tion gerückt hätte.

98 Vgl. dazu beispielhaft Fridolin Solleder, Die Hoftracht unter Ludwig und Georg dem Reichen
von Bayern-Landshut, in: Das Bayerland 25 (1913), S. 206-207; Brigitte Streich, Zwischen Reise-
herrschaft und Residenzbildung. Der wettinische Hof im späten Mittelalter (Mitteldeutsche
Forschungen 101), Köln/Wien 1989, S. 356-364, 515ff.; Karl-Heinz Ahrens, Residenz und Herr-
schaft. Studien zu Herrschaftsorganisation, Herrschaftspraxis und Residenzbildung der Mark-
grafen von Brandenburg im späten Mittelalter (Europäische Hochschulschriften III, 427),
Frankfurt a.M. 1990, S. 186ff.
99 Vgl. zum Hofkleid im Reich des Spätmittelalters allgemein Karl-Heinz Spiess, Kommuni-
kationsformen im Hochadel und am Königshof im Spätmittelalter, in: Formen und Funktionen
öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hrsg. von Gerd Althoff (Vorträge und Forschun-
gen 51), Stuttgart 2001, S. 261-290, S. 266L; Harm von Seggern, Herr scher medien im Spätmittel-
alter. Studien zur Informationsübermittlung im burgundischen Staat unter Karl dem Kühnen
(Kieler historische Studien 41), Stuttgart 2003, S. 81-84; Stephan Selzer, Überlegungen zur Op-
tik des Reichstags. Kleidung und Heraldik fürstlicher Besucher auf spätmittelalterlichen
Reichsversammlungen, in: Politische Versammlungen und ihre Rituale. Repräsentationsfor-
men und Entscheidungsprozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter, hrsg. von
Jörg Peltzer/Gerald Schwedler/Paul Töbelmann (Mittelalter-Forschungen 27), Ostfildern
2009, S. 247-262; ders., Adel auf dem Laufsteg. Das Hofgewand an reichsfürstlichen Höfen um
1500, in: Fashion and Clothing in Late Medieval Europe/Mode und Kleidung im Europa des
späten Mittelalters, hrsg. von Regula Schorta/Rainer C. Schwinges, Basel 2010, S. 115-129.
100 BayHStA, Haus- und Familiensachen, Urkunden 22.4.1490 (im Moment aufgrund von Pro-
venienzbereinigung nicht auffindbar), zitiert nach Michail A. Bojcov, Der diskrete Charme der
Herrschaft. Zum Image deutscher Machtträger im 14.-15. Jahrhundert, in: Majestas 5 (1997),
S. 23-66, S. 44.
101 Einungsvertrag vom 19. März 1490.
 
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