1. Die Diplomatie der Kleider
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ehrverletzender Weise unterminieren66. Das Ablegen von Schleier und Gebende
markierte ostentativ das Ende des Luxemburger Einflusses in Tirol. Durch die
publikumswirksame Sichtbarmachung ihres sozialen Standorts als ledige Landes-
herrin eröffnete die Gräfin sich demgegenüber selbst Spielräume für einen Wechsel
der Allianzen, der am 10. Februar 1342 durch die Wieder Verheiratung mit dem Wit-
telsbacher Prinzen Ludwig von Brandenburg besiegelt wurde. Mit der folgenrei-
chen Reinszenierung ihrer Identität als Jungfrau bietet Margarete von Tirol ein
Musterbeispiel für den politisch hochbrisanten Zeichengehalt einzelner Gewand-
stücke. Der publikumswirksame Wechsel des Kopfputzes inszenierte und ermög-
lichte zugleich eine dynastische Entscheidung von höchster Tragweite. Indem Mar-
garete den zurückgewonnenen Status nicht allein im Einzelakt der Verschließung
der Burgtore zu manifestieren suchte, sondern in ihrem äußeren Erscheinungsbild
dauerhaft und scheinbar unangefochten zur Schau trug, durfte sie auf eine anhal-
tende Akzeptanz ihrer Jungfernschaft hoffen. Nicht zuletzt dank ihrer Räte aus
einheimischem Adel konnte Margarete ihre Position im Kontext Tiroler Landes-
herrschaft gegen ihren einstigen Ehemann tatkräftig behaupten67.
Die Trennlinie zum situativen Gebrauch textiler Requisiten wird damit einmal
mehr erkennbar: Während die Geste des Hutziehens das in der Kleiderform selbst
schlummernde Deutungspotential ungenutzt ließ, vermochte sie zwar präzise,
aber lediglich punktuell über den aktuellen Stand der wechselseitigen Beziehun-
gen zu informieren. Die Darstellung einer Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit
suggerierenden politischen Identität - sei es als königsgleicher Herzog oder unver-
heiratete Landesherrin - ließ sich in der Wahl des Gewandes demgegenüber weit-
aus wirkungsvoller realisieren68. Wo das Gezeigte Duldung oder Bestätigung fand,
erschloß es erweiterte Felder sozial akzeptierten Handelns. Gerade der Konnex
zwischen symbolischer Selbst-Identifizierung, sozialer Akzeptanz und politischen
Gestaltungsräumen soll daher im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen.
66 Johannes von Winterthur, Chronik, a. 1341, S. 187; Matthias von Neuenburg, Chronik, c. 59,
S. 163. Die rechtliche Relevanz dieser Passagen ist immer wieder unterschätzt worden, so wer-
den nach Ulrike Wegner, Die Eheangelegenheit der Margarethe von Tirol. Überlegungen zur
politischen und kulturhistorischen Bedeutung des Tiroler Eheskandals (Akademische Abhand-
lungen zur Geschichte), Berlin 1996, S. 39, nur »unappetitliche Klatschgeschichten ohne Hem-
mung« ausgebreitet.
67 Zur zeitgenössisch stark betonten Rolle der Räte und Tiroler Adeligen vgl. zusammenfassend
Wegner, Eheangelegenheit, S. 83ff., sowie ebd., S. 122-13, zum kanonischen Strafverfahren ge-
gen Margarete.
68 Vgl. prägnant Sommer, Mode, S. 247.
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ehrverletzender Weise unterminieren66. Das Ablegen von Schleier und Gebende
markierte ostentativ das Ende des Luxemburger Einflusses in Tirol. Durch die
publikumswirksame Sichtbarmachung ihres sozialen Standorts als ledige Landes-
herrin eröffnete die Gräfin sich demgegenüber selbst Spielräume für einen Wechsel
der Allianzen, der am 10. Februar 1342 durch die Wieder Verheiratung mit dem Wit-
telsbacher Prinzen Ludwig von Brandenburg besiegelt wurde. Mit der folgenrei-
chen Reinszenierung ihrer Identität als Jungfrau bietet Margarete von Tirol ein
Musterbeispiel für den politisch hochbrisanten Zeichengehalt einzelner Gewand-
stücke. Der publikumswirksame Wechsel des Kopfputzes inszenierte und ermög-
lichte zugleich eine dynastische Entscheidung von höchster Tragweite. Indem Mar-
garete den zurückgewonnenen Status nicht allein im Einzelakt der Verschließung
der Burgtore zu manifestieren suchte, sondern in ihrem äußeren Erscheinungsbild
dauerhaft und scheinbar unangefochten zur Schau trug, durfte sie auf eine anhal-
tende Akzeptanz ihrer Jungfernschaft hoffen. Nicht zuletzt dank ihrer Räte aus
einheimischem Adel konnte Margarete ihre Position im Kontext Tiroler Landes-
herrschaft gegen ihren einstigen Ehemann tatkräftig behaupten67.
Die Trennlinie zum situativen Gebrauch textiler Requisiten wird damit einmal
mehr erkennbar: Während die Geste des Hutziehens das in der Kleiderform selbst
schlummernde Deutungspotential ungenutzt ließ, vermochte sie zwar präzise,
aber lediglich punktuell über den aktuellen Stand der wechselseitigen Beziehun-
gen zu informieren. Die Darstellung einer Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit
suggerierenden politischen Identität - sei es als königsgleicher Herzog oder unver-
heiratete Landesherrin - ließ sich in der Wahl des Gewandes demgegenüber weit-
aus wirkungsvoller realisieren68. Wo das Gezeigte Duldung oder Bestätigung fand,
erschloß es erweiterte Felder sozial akzeptierten Handelns. Gerade der Konnex
zwischen symbolischer Selbst-Identifizierung, sozialer Akzeptanz und politischen
Gestaltungsräumen soll daher im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen.
66 Johannes von Winterthur, Chronik, a. 1341, S. 187; Matthias von Neuenburg, Chronik, c. 59,
S. 163. Die rechtliche Relevanz dieser Passagen ist immer wieder unterschätzt worden, so wer-
den nach Ulrike Wegner, Die Eheangelegenheit der Margarethe von Tirol. Überlegungen zur
politischen und kulturhistorischen Bedeutung des Tiroler Eheskandals (Akademische Abhand-
lungen zur Geschichte), Berlin 1996, S. 39, nur »unappetitliche Klatschgeschichten ohne Hem-
mung« ausgebreitet.
67 Zur zeitgenössisch stark betonten Rolle der Räte und Tiroler Adeligen vgl. zusammenfassend
Wegner, Eheangelegenheit, S. 83ff., sowie ebd., S. 122-13, zum kanonischen Strafverfahren ge-
gen Margarete.
68 Vgl. prägnant Sommer, Mode, S. 247.