Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0174

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
174

II. Angebot und Auslegung: Politik im Zeichen der Kleidung

die Stadt zu gewinnen, suchte Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg im Jahr 1267
den Schulterschluß mit der Patrizierpartei der >Weisen< von der Mühlengasse. Bei
dieser Gelegenheit stattete er zwanzig seiner neuen Gefolgsleute mit kostbaren
Kleidern aus, die in ihrer farblichen Außenwirkung scharlaichen ind gronen mitein-
ander verbanden86. Die Intention des Prälaten wird dabei klar zum Ausdruck
gebracht. Seine Gabe sollte verpflichtend auf die mentalen Dispositionen der
Beschenkten einwirken, up dat sy de bas worden gewar / dat der busschoff ir leive here /
mit gantzen truwen ir vrunt were87. Die uniform zur Schau getragene Kleidung klassi-
fizierte ihre Träger öffentlich sichtbar als Repräsentanten der erzbischöflichen
Macht- und Rechtsansprüche. Ihre rot-grüne Farbkombination war dabei vermut-
lich nicht zufällig gewählt. Bereits in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts
erzählt der Dichter Rudolf von Ems in auffälliger Analogie über die Schwertleite
eines Kölner Ministerialensohns, dieser habe gemeinsam mit zwölf Gefährten kost-
bare Festkleider getragen, die aus leuchtend grünem Seidengewebe mit rotseidenen
Einsätzen bestanden88. Wie auch anderweitig belegt, bot gerade das Schwellenritual
der Ritterpromotion beste Voraussetzung, die künftige Treuebindung der Aspiran-
ten untereinander und gegenüber ihrem Dienstherrn zeichenhaft zu befestigen89.
Die zweifarbige Kleidung mochte in diesem Kontext als Parteiabzeichen und Ge-
meinschaftsemblem gleichermaßen wirken. Klientelbildung erfolgte dabei auf dem
Weg einer auf beiden Seiten einvernehmlichen Identitätsübernahme90.
Die Gegner Erzbischof Engelberts II. jedenfalls wußten die Botschaft ihres
Stadtherrn wohl zu deuten und suchten gegen die neue Bedrohung die Reihen der
eigenen Anhängerschaft zu schließen. Die Wirkung der erzbischöflichen Kleider-
gaben entfaltete sich offenbar nicht nur innerhalb der eigenen Klientel, sondern ließ
sich effektiv auch gegen rivalisierende Rechts- und Geltungsansprüche richten:

Erwin Streitfeld (editio. Beihefte 9), Tübingen 1997, S. 123-132; Manfred Groten, Volkssprach-
liche Geschichtsdichtungen im deutschen Reich im späten 13. Jahrhundert. Melis Stoke und
Gottfried Hagen, in: Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und
ihre kritische Aufarbeitung, hrsg. von Johannes Laudage (Europäische Geschichtsdarstellun-
gen 1), Köln/Weimar/Wien 2003, S. 281-308.
86 Gottfried Hagen, Reimchronik, v. 4320: Dar na in unlanger stunt / heis der busschoff dat men sy
cleide / mit scharlaichen ind gronen beide. Präziser noch ebd. 4527ff.: Sus geingen irre zwentzijch
der Wisen/ - des moichten sy den busschoff prysen - / mit scharlaichen ind gronen undersneden, / gecleit
na ritterlichen seden.
87 Ebd. 4324ff.
88 Rudolf von Ems, Der guote Gêrhart, hrsg. von John A. Asher (Altdeutsche Textbibliothek 56),
Tübingen T989, v. 3583-3594: ouch truoc nach ritterlichen siten / riche wæhe wol gesniten / an der sel-
ben höchzit / min sun vii tiuren samit: / der was griiene alsam ein gras, / mit sniten geparrieret was / ein
röter phellôl wæhe dran. / diu kleider truoc mit vreuden an / min sun mit zwelf gesellen wert / die dà bi im
nämen swert / und mit im truogen disiti kleit / durch in und durch ir hübscheit.
89 Belege hierzu hat Brüggen, Kleidung im Mittelalter, S. 20f. zusammengetragen. Zu ergänzen
wäre die Cronica S.Petri Erfordensis Moderna, a. 1299, S. 321: Elegerat autem ipse rex quingentos
milites forma et moribus egregios, quos uniformibus paribus vestium exornavit, exceptis his, quos illi no-
biles, qui secum erant, in honorem regie magnificencie vestierant in suo quilibet comitatu. Idealtypisch
schildert eine solche Einkleidung im Kontext einer Gruppenpromotion Jean de Marmoutier,
Historia Gaufredi ducis Normannorum et comitis Andegavorum, in: Chroniques des comtes
dAnjou et des seigneurs dAmboise, hrsg. von Louis Halphen/René Poupardin, Paris 1913,
S. 172-231, S. 179: ejus vero consodales, qui cum eo militie suscipiende munus expectabant, universi bysso
et purpura induuntur.
90 Vgl. Manfred Groten, Köln im 13. Jahrhundert. Gesellschaftlicher Wandel und Verfassungsent-
wicklung, Köln/Weimar/Wien 1995, S. 285f., der eine Art von Uniform ausschließt.
 
Annotationen