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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0180

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II. Angebot und Auslegung: Politik im Zeichen der Kleidung

zeugt unter anderem die Chronik des Byzantiners Niketas Chômâtes. Ausführlich
wird hier von einem vergeblichen Versuch des Basileus berichtet, seiner kaiserlichen
Vorrangstellung vor den Gesandten Kaiser Heinrichs VI. durch einen glanzvollen
Staatsornat Ausdruck zu verleihen: »Kaiser Alexios setzte es sich in den Kopf zu prunken
(...). Er ließ sich zu einer Kundgebung hinreißen, die in diesem Augenblick völlig fehl am
Platze war, ja geradezu seine Würde und seinen Anstand verletzte und die Rhomäer beinahe
dem Gelächter preisgab«. Die bereits von Liutprand hervorgehobene martialische
Mentalität der westlichen Welt wandte sich nun unvermittelt gegen das pompöse
Auftreten des Basileus. Das Kalkül des oströmischen Kaisers scheiterte an der küh-
len Ignoranz der abendländischen Gesandten. Statt beim Anblick der golddurch-
wirkten Prachtgewänder in ehrfürchtiges Staunen zu verfallen, waren sie selbst
nach expliziter Aufforderung nicht bereit, dem Kaiser die erwartete Anerkennung
zu zollen: »Was sollen wir Alamannen mit einem Schauspiel anfangen? Wir pflegen uns
nicht hinzustellen und uns an dem Anblick solcher Spangenkleider und Überwürfe zu berau-
schen, die doch nur für Weiber passen, für puderbeschmierte, mit Kopf binden und glänzen-
den Ohrgehängen aufgeputzte, gefallsüchtige Wesen«114. Ja in der Stilisierung des Chroni-
sten setzten die künftigen Eroberer Konstantinopels gar die brachiale Überlegenheit
kriegerischer Tugend gegen die offenkundige Verweichlichung der Byzantiner,
indem sie das Gezeigte mit unverhohlenen Drohungen quittierten. Wenn die Grie-
chen den Forderungen Heinrichs VI. nicht Folge leisteten, »so werden sie sicher bald
zur Schlacht gegen Männer antreten müssen, die nicht mit Edelsteinen übersät sind wie eine
Wiese mit Blumen, (...) sondern gegen Männer, die von Ares erzogen sind, deren Augen vom
Feuer des Zornes glühen und deren Schmuck die Schweißtropfen sind, die von hartem Waf-
fengang entquellen.«115 Entsprechend grob ging man am staufischen Hof mit einer
Gegengesandtschaft um, deren Eeiter sich eigens zu dieser Gelegenheit die Rangab-
zeichen eines Eparchen hatte verleihen lassen und nun »seines ungewohnten, fremdar-
tigen Aufzugs« wegen mehr Hohn als Respekt auf sich zog116.
Der repräsentative Wert der Kleider auf diplomatischer Bühne lag offenbar
weitgehend im Auge des Betrachters. Während einerseits die Mißachtung der auf
der Gegenseite geltenden Kleiderkonventionen für Irritationen sorgen konnte, pro-
vozierte in anderen Fällen gerade die überdeutliche Anlehnung und formale Adap-
tion exklusiver Kleidungsattribute einen Eklat. Die Abwehrreaktionen auf ein Ein-
dringen in vermeintliche Reservatsrechte reichten von Hohn und Spott über offene
Aversion bis hin zur regelrechten Wirtschaftsblockade. Stellte die eigensinnige
Inklusion in die sorgsam gehütete Stufenfolge sozialer Ehrenstellung einen Akt der
Usurpation dar, so lag der Gedanke nahe, die unrechtmäßig angeeigneten Rangab-
zeichen gewaltsam wieder zu entfernen. Unverhohlen drohten die griechischen
Fürsten dem Gesandten Ottos I. daher mit der Unterwerfung »durch Schrecken und
Schwert« ihres Kaisers: »Und damit Du siehst, wie wenig wir uns aus den Königen, deinen
Herren, machen, so wird alles in dieser Farbe, geschenkt und gekauft, auf diesem Weg zu uns
114 Niketas Chômâtes, Historia, zitiert nach der Übersetzung von Franz Grabler, Die Kreuzfahrer
erobern Konstantinopel (Byzantinische Geschichtsschreiber 9), Graz/Wien/Köln 1958, S. 44.
115 Ebd. S. 44f. Vgl. Keupp, Macht, S. 272f.
116 Ebd. S. 45. Ein anderes prominentes Beispiel für die Geringschätzung des ostentativen Geprän-
ges einer Gesandtschaft stellt der Bericht des Suger von Saint-Denis, Vita Ludovici Grossi, hrsg.
von Henri Waquet (Les classiques de l'histoire de France au moyen âge 11), Paris 1929, c. 10,
S. 56, über das Auftreten der Deutschen in Chärlons-sur-Marne im Jahr 1107 dar. Welf IV. etwa
erscheint dadurch lächerlich, daß er sich überall hin ein Schwert habe vorantragen lassen.
 
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