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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0284

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Resümee II: Kleidung als Überzeugungssignal

Die kurbrandenburgischen Gesandten Hertnid von Stein und Ludwig von Eyb
zeigten sich in ihren Berichten über die Zusammenkunft zwischen Kaiser Fried-
rich III. und Herzog Karl von Burgund bestens über die Details der repräsenta-
tiven Formen unterrichtet. Minutiös schildern sie die Kleidung des Burgunders
und protokollieren ausführlich Qualität, Schnitt und Machart von Seidengewän-
dern, Pelz Verbrämung und Edelsteinbesatz. Gegenüber dieser vermeintlichen
Detailverliebtheit in der Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes wirken die
diplomatischen Reibungspunkte und Winkelzüge beider Verhandlungsparteien
deutlich unterbelichtet: »Was aber also zwüschen inen beden gehandelt sei, wirdet in
solcher stil und gehaym gehaltten, das weder fürsten noch rete dovon wissen haben«, so
resümieren die Gesandten ihren Informationsstand über die Inhalte der vertrauli-
chen Gespräche1.
Kleiderbeschreibungen wurden hier offenbar als geeignet erachtet, dem Korre-
spondenzpartner einen vielsagenden Blick hinter die Kulissen eines arkanen Diplo-
matiegeschehens zu gewähren. Die politischen Positionen konnten, wenn schon
nicht mit juristischer Präzision rekonstruiert, so doch in entscheidenden Eckpunk-
ten anhand des Zeremoniells der Kleider nachgezeichnet werden. Das äußere
Erscheinungsbild diente dabei als sensibler Gradmesser für politische Geltungsan-
sprüche, Machtbalancen und Anerkennungsrelationen. Rituale der Investitur, der
freiwilligen oder verordneten Delegation von Kleiderzeichen, der kurzzeitigen Di-
stanzierung und Neueinkleidung, aber auch der erzwungenen Aberkennung von
Amts- und Standesattributen markierten sinnfällig den aktuellen Standort einer
Person im komplexen Gefüge politischer und gesellschaftlicher Beziehungssy-
steme. Zwar wurden explizite Deutungen der vielschichtigen Zeichengebilde in
der schriftlichen Überlieferung vergleichsweise selten vorgenommen, blieb die
kundige Interpretation zumeist dem zeitgenössischen Leser Vorbehalten. Die breite
Berücksichtigung von Kleidung und Textilien in den Quellen des Hoch- und Spät-
mittelalters verweist den modernen Historiker jedoch auf die unverkennbare Rele-
vanz dieser Objekte, die im Rahmen politischer Interaktion nicht allein als Requisi-
ten, sondern auch als Bedeutungsträger zum Einsatz kamen.
»Macht und Anspruch trug man gleichsam am Hut oder am Bein«, so resü-
miert Werner Paravicini zutreffend die Maxime vestimentärer Selbst ver ortung2.
Ziel war eine Inszenierung gedachter Ordnung, die politische Intentionen ver-
ständlich machen und durch das affirmative Anschlußhandeln der Interaktions-
teilnehmer in gelebte Ordnung überführen sollte. Die Wahl des Gewandes bedeu-
tete auf der politischen Bühne zunächst einen Versuch der Selbstdefinition. Der
jeweilige Akteur bemühte sich dabei, über das Medium der Kleidung bei anderen
ein bestimmtes Bild von sich zu erzeugen, das situationsbezogen die eigenen
Geltungsansprüche begünstigte. Die textilen Hüllen des Körpers erwiesen sich im
Rahmen einer solchen Strategie als kontextabhängig flexibles, gut kontrollierbares

1 Ludwig von Eyb der Ältere, Schriften, S. 211.
2 Paravicini, >Magnificences<, S. 375.
 
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