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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0001

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CHRISTOPH DARTMANN
Politische Interaktion
in der italienischen
Stadtkommune
(11.-14. Jahrhundert)
jH T HORBECKE

Institutionen sind fiktive Gebilde. Nur wenn
soziale Akteure ihre Existenz anerkennen und
von anderen erwarten, dies ebenfalls zu tun,
können sie als soziale Tatsachen Wirkung ent-
falten. Wenn diese Prozesse der Anerkennung
unbewusst ablaufen, werden Institutionen zu
einer zweiten Natur und prägen die alltägliche
Interaktion der Menschen tiefgreifend, ohne
dass sich die Beteiligten normalerweise davon
Rechenschaft ablegen. In den Städten Nord-
und Mittelitaliens entstand im Hochmittelalter
mit der Stadtkommune eine völlig neue Organi-
sationsform politischer Macht. Am Beginn des
12. Jahrhunderts stand die Beteiligung von Lai-
en an der Regelung der kirchenpolitischen
Geschäfte ihrer Städte. Daraus entwickelte sich
innerhalb von zwei Generationen eine Instituti-
on, die nicht nur das innerstädtische Leben
dominierte, sondern auch das Umland unter
Kontrolle bringen und sogar den staufischen
Kaisern machtvoll Widerstand leisten konnte.
Im 13. und frühen 14. Jahrhundert etablierten
die Kommunalregierungen einen hoch differen-
zierten Verwaltungsapparat, der den Anspruch
erhob, innerstädtische Interaktion bis in kleins-
te Belange zu steuern. Die vorliegende Studie
analysiert, wie die neue Institution der Stadt-
kommune und ihre Strukturen in der direkten
Interaktion der Zeitgenossen Anerkennung fan-
den und wie sie ihrerseits die Interaktion der
Stadtbewohner beeinflussten. Soziale Situatio-
nen wie Bürgerversammlungen, Gerichtsver-
fahren, innerstädtische Konflikte oder Frie-
densschlüsse können als Anlässe interpretiert
werden, in denen Vertreter der Kommunalregie-
rung und Bürger sich den Vorgaben institutio-
neller Rollenerwartungen fugten oder fugen
sollten. Zugleich wird in der Offenheit vieler
sozialer Situationen fassbar, wie prekär institu-
tioneile Machtausübung im städtischen Italien
während des gesamten Hochmittelalters blieb.
In der vorliegenden Studie werden neue kultur-
historische Ansätze zur Erforschung vormoder-
ner Kommunikation in Schrift und Ritual wei-
terentwickelt, um die italienische Stadtkommu-
ne des 11. bis 14. Jahrhunderts als ein Labor zu
beschreiben, in dem innerhalb weniger Jahr-
zehnte neue politische und soziale Formationen
ausgeprägt wurden, die für die europäische Vor-
moderne bestimmend bleiben sollten.
 
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