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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0141

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Die konsularische Kommune - Genua im 12. Jahrhundert

nähernd vollständiges normatives Gerüst der kommunalen Realität
darzustellen, beinhalten sie doch zahlreiche, detaillierte Vorgaben
von dauerhafter Geltung wie auch von nur kurzfristiger Bedeutung.

4.2 Die Genueser Eidbreven - ein Idealbild
der geordneten Kommune
Seit dem 12. Jahrhundert ist die Kommune als geschworene Mm-
ucrsüas mit stabilem Charakter zu fassen. Die Genossenschaft ihrer
Mitglieder konstituierte sich in regelmäßig wiederholten Eiden, mit
denen der Einzelne sich den Normen und der Sanktionsgewalt der
Gemeinde unterwarf und sich im Gegenzug ihres Schutzes und ihres
Beistands vergewisserte.^ In Genua haben sich zwei Quellengrup-
pen erhalten, die im Kontext dieser Eide entstanden sind. Zum einen
leisteten zahlreiche auswärtige Große das sogenannte
compagnc, wenn sie sich freiwillig oder auch gezwungenermaßen
der Kommune unterstellten.^ Zum anderen liegen aus den Jahren
1157 und 1161 zwei Redaktionen eines Eidformulars vor, mit denen
die Bürger ihre Einordnung in die Kommune für die kommenden
vier Jahre versprachen.^ Machtausübung im Namen der Gemeinde,
die auf Delegation beruhte, wurde gleichfalls in Eiden legitimiert, in
denen die Amtsträger die ihnen übertragenen Kompetenzen gewis-
senhaft wahrzunehmen zusagten und die ihrem Wirken gezogenen
Grenzen anerkannten, wie etwa die Kommunalkonsuln Genuas mit

wicht einmal fixierter Textbestandteile führte in der mittelalterlichen Rechtskultur vielfach
dazu, dass Normensammlungen zum Zeitpunkt ihrer Publikation zahlreiche Passus enthiel-
ten, die längst überholt waren, aber aus Pietät dem tradierten Wortlaut gegenüber dennoch
abgeschrieben wurden; dazu grundlegend: ßLATTMANN, Materialität; ein sprechendes Beispiel
bei DARTMANN, Urkunde, S. 43, unter Rückgriff auf WEBER, Herrschaftsverband. Auch die
vorliegenden Eidbreven weisen Spuren einer längeren Entstehungsgeschichte auf, die nicht
im Dienste einer kohärenten Normensetzung geglättet wurden. Dennoch ist es sinnvoll und
möglich, diese Quellen auszuwerten, nicht um zu unterstellen, dass sie die Praxis weitgehend
bestimmten, sondern um auszuloten, welche Vorstellungen einer wohl geordneten Stadtge-
meinde während der Mitte des 12. Jahrhunderts in Genua virulent waren. Der weiteren Ana-
lyse obliegt es, die Implementation der Normen in die gelebte Praxis nachzuweisen. Zum
Begriff der Normenimplementation vgl. LANDWEHR, Normdurchsetzung.
32 Vgl. zu dieser Grundstruktur der mittelalterlichen Stadtgemeinde EBEL, Bürgereid; DiLCHER,
Entstehung; DERS., Kommune.
33 Siehe dazu unten Kapitel 4.6.1.1.
34 Das iMramcMfMW cowpagMC wurde ausweislich des Wortlauts alle vier Jahre geleistet, denn die
Bürger versprechen den aktuellen Konsuln sowie deren Nachfolgern in den kommenden drei
Amtszeiten ihre Unterstützung; somit entfällt das anhand anderen Materials nachweisbare di-
rekte Wechselspiel zwischen Amtseiden und iMramcMfMW der versammelten Stadt-
gemeinde; vgl. dazu mit weiteren Hinweisen DARTMANN, Schrift im Ritual, S. 182-188.
 
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