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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0352

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Innerstädtische Konflikte in Florenz um 1300

341

Dieses Geflecht wechselseitiger personaler Verpflichtungen wur-
de durch feierliche Akte symbolischer Kommunikation geknüpft,
nicht durch ein bürokratisches Prozedere. Besonders in den Fällen,
in denen Amts- und Bürgereide während einer Versammlung der
Stadtgemeinde abwechselnd geleistet wurden, wurde das wechsel-
seitige Verhältnis eindrucksvoll inszeniert. In diesen Akten wurde
nicht nur Rechtsgeltung begründet, sondern kamen zugleich zen-
trale Werte gleichsam zur Aufführung, die das friedliche Zusam-
menleben in der Stadt und ihr Prosperieren gewährleisten sollten.
Dies ist besonders deutlich am Adventus eines neuen Podestä abzu-
lesen, während dessen so unterschiedliche Motive wie die Ehre al-
ler beteiligten Personen und Städte, die Gottesfurcht des Mächtigen,
aber ebenso die Kontrollbefugnis der Regierten erfahrbar gemacht
wurden. Der Eid auf den geschlossenen Statutencodex ist nur in
diesem Zusammenhang zu verstehen, denn er begründete nicht nur
ein Rechtsverhältnis zwischen der Stadtgemeinde und ihrem Regie-
rungschef, sondern diente zugleich der Vergewisserung, dass alle
die gleichen Erwartungen an die Interaktion zwischen Bürgern und
Regierung teilten. Unter besonderen Ausprägungen, die der Struk-
tur einer Stadtgemeinde geschuldet sind, griffen die italienischen
Stadtkommunen auf die mittelalterlichen Konventionen symboli-
scher Kommunikation zurück. Machtverhältnisse wurden in feierli-
chen Inszenierungen erfahrbar gemacht und von allen Anwesenden
anerkannt. Auch das neue Medium des Statutencodex wurde in die-
se Inszenierungen integriert, der Schriftträger wurde zum rituellen
Objekt, das dazu beitrug, die Machtverteilung zwischen den Prot-
agonisten konsensual auszuhandeln. Somit fuhrt die systematische
Umstellung auf geschriebene Normen nicht zu einer Verdrängung
der gewohnten Konventionen direkter Interaktion, vielmehr wird
der Schriftträger in charakteristischer Weise und in prominenter
Rolle in die feierlichen Abläufe integriert. Dies war nötig, um dem
geschriebenen Recht in der Kommune Geltung zu verschaffen.

5.2 Innerstädtische Konflikte in Florenz um 1300
Die neue Qualität, die innere Konflikte in oberitalienischen Städ-
ten während des 13. Jahrhunderts gewannen, fand bereits Erwäh-
nung.^ Seit dieser Zeit sind zunehmend sich verfestigende in-
nerstädtische Gruppierungen zu fassen, die politisch oder sozial
motivierte Interessenlagen dauerhaft artikulierten und damit zu-
gleich jederzeit den Zusammenhalt der Kommune bedrohten. Auch
wenn sich vielfach Arrangements zwischen diesen Gruppierungen

162 Siehe oben eingangs von Kapitel 5.
 
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