Inszenierte Normen
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5.1.2 Die Inszenierung des Statutencodex in der Amts-
einführung des neuen Podestä ^
5.1.2.1 Der Amtseid des Podestä auf den geschlossenen Statutenco-
dex als Begründung der Geltung des kommunalen Gesetzbuchs
Was sich bereits am Beispiel der frühen Volterraner Statuten able-
sen lässt, bleibt das gesamte 13. Jahrhundert hindurch und darü-
ber hinaus das weitgehend prägende Modell, wie die Geltung des
kommunalen Gesetzbuchs begründet wurde: Der Statutencodex
fungierte zuvörderst als persönliches Gesetzbuch des einzelnen
Podestä, der durch einen Eid unter Berührung eines geschlossenen
Exemplars die Geltung der darin enthaltenen Normen anerkann-
te. Andere Amtsträger und Bürger wurden durch eidliche Verspre-
chen, die sie jeweils persönlich dem amtierenden Podestä leisteten,
indirekt zur Einhaltung der Statuten verpflichtet, sodass der Podes-
tä gleichsam das Scharnier wurde, durch das wesentliche Bestand-
teile des geschriebenen Rechts für die Bürger und Amtsträger zur
Geltung gebracht wurden.^
In vielen Statuten wird gefordert, der Podestä habe unmittelbar
nach seinem Einritt in die Stadt unter Berührung eines geschlosse-
nen und auch versiegelten Exemplars der Kommunalstatuten einen
Eid zu leisten, sich den Normen der Stadt zu unterwerfen, die er
in den kommenden Monaten regieren sollte.^ Die Symbolik dieser
Geste ist mehrschichtig. Zunächst einmal geht es darum, einen Aus-
wärtigen, der nicht der Schwureinung der Gemeinde angehört, in
sie einzugliedern und auf die Einhaltung der gewillkürten Satzun-
gen zu verpflichten, bevor in buchstäblichem Sinne seine Füße den
Boden der Stadt berühren. Dies soll, so eine zweite Bedeutungsebe-
ne, ohne jeden Vorbehalt erfolgen. Diese Implikation verdeutlicht
sinnfällig die Inszenierung eines nachweislich vor dem Eid nicht
konsultierten Exemplars der Stadtstatuten. Statutarische Vorgaben
für den Eidgestus unterscheiden sich in diesem charakteristischen
Detail von den Empfehlungen, die im ,Liber de regimine civitatum'
des Johannes von Viterbo gegeben werden, einem Beispiel der pra-
xisnahen Handbuchliteratur für Podestä aus der Mitte des 13. Jahr-
115 In diesem Abschnitt greife ich die Ergebnisse vorliegender Studien auf: DARTMANN, Schrift;
DERS., Adventus; DERS. - KELLER, Inszenierungen.
116 Dazu grundsätzlich DARTMANN, Schrift im Ritual; DERS. - KELLER, Inszenierungen. Vgl. bereits
BLATTMANN, Statutencodices; SCHULTE, Omnis homo.
117 Vgl. etwa Statuti di Bologna, hg. v. FRATi, S. 72; Statuta Communitatis Novariae, hg. v. CERUTi,
Sp. 524-525. Zu den Novareser Statuten DREWNiox - SASSE TATEO, Kommunalstatuten; Statuto
di Todi,, hg. v. CECi - PENSi, der Amtseid des Podestä S. 1-5, der Hinweis auf das geschlosse-
ne Buch S. 2.
325
5.1.2 Die Inszenierung des Statutencodex in der Amts-
einführung des neuen Podestä ^
5.1.2.1 Der Amtseid des Podestä auf den geschlossenen Statutenco-
dex als Begründung der Geltung des kommunalen Gesetzbuchs
Was sich bereits am Beispiel der frühen Volterraner Statuten able-
sen lässt, bleibt das gesamte 13. Jahrhundert hindurch und darü-
ber hinaus das weitgehend prägende Modell, wie die Geltung des
kommunalen Gesetzbuchs begründet wurde: Der Statutencodex
fungierte zuvörderst als persönliches Gesetzbuch des einzelnen
Podestä, der durch einen Eid unter Berührung eines geschlossenen
Exemplars die Geltung der darin enthaltenen Normen anerkann-
te. Andere Amtsträger und Bürger wurden durch eidliche Verspre-
chen, die sie jeweils persönlich dem amtierenden Podestä leisteten,
indirekt zur Einhaltung der Statuten verpflichtet, sodass der Podes-
tä gleichsam das Scharnier wurde, durch das wesentliche Bestand-
teile des geschriebenen Rechts für die Bürger und Amtsträger zur
Geltung gebracht wurden.^
In vielen Statuten wird gefordert, der Podestä habe unmittelbar
nach seinem Einritt in die Stadt unter Berührung eines geschlosse-
nen und auch versiegelten Exemplars der Kommunalstatuten einen
Eid zu leisten, sich den Normen der Stadt zu unterwerfen, die er
in den kommenden Monaten regieren sollte.^ Die Symbolik dieser
Geste ist mehrschichtig. Zunächst einmal geht es darum, einen Aus-
wärtigen, der nicht der Schwureinung der Gemeinde angehört, in
sie einzugliedern und auf die Einhaltung der gewillkürten Satzun-
gen zu verpflichten, bevor in buchstäblichem Sinne seine Füße den
Boden der Stadt berühren. Dies soll, so eine zweite Bedeutungsebe-
ne, ohne jeden Vorbehalt erfolgen. Diese Implikation verdeutlicht
sinnfällig die Inszenierung eines nachweislich vor dem Eid nicht
konsultierten Exemplars der Stadtstatuten. Statutarische Vorgaben
für den Eidgestus unterscheiden sich in diesem charakteristischen
Detail von den Empfehlungen, die im ,Liber de regimine civitatum'
des Johannes von Viterbo gegeben werden, einem Beispiel der pra-
xisnahen Handbuchliteratur für Podestä aus der Mitte des 13. Jahr-
115 In diesem Abschnitt greife ich die Ergebnisse vorliegender Studien auf: DARTMANN, Schrift;
DERS., Adventus; DERS. - KELLER, Inszenierungen.
116 Dazu grundsätzlich DARTMANN, Schrift im Ritual; DERS. - KELLER, Inszenierungen. Vgl. bereits
BLATTMANN, Statutencodices; SCHULTE, Omnis homo.
117 Vgl. etwa Statuti di Bologna, hg. v. FRATi, S. 72; Statuta Communitatis Novariae, hg. v. CERUTi,
Sp. 524-525. Zu den Novareser Statuten DREWNiox - SASSE TATEO, Kommunalstatuten; Statuto
di Todi,, hg. v. CECi - PENSi, der Amtseid des Podestä S. 1-5, der Hinweis auf das geschlosse-
ne Buch S. 2.