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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0355

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Politische Interaktion in der Stadtkommune des 13. Jahrhunderts

Florenz in dieser Phase nicht zu einer Signorie, sondern behielt un-
ter modifizierten Formen die institutioneilen Strukturen der Kom-
mune bei. Das ermöglicht einen besseren Vergleich mit den Verhält-
nissen in Genua während des 12. Jahrhunderts als andere Beispiele.
Hinzu kommt, dass aus Florenz ein Ensemble von Statuten und
Geschichtsschreibung vorliegt, das insbesondere die Jahre um 1300
sehr präzise zu erfassen ermöglicht. Die Statuten des Podestä und
des Capitano del Popolo in der Redaktion der 1320er Jahre bieten
ein umfangreiches Corpus normativer Vorgaben. Sie beinhalten
vielfach älteres Material, spiegeln aber zugleich die Einführung der
Prioren als neuem Leitungsgremium der Kommune seit den 1280er
Jahren und auch zahlreiche Aktualisierungen des normativen Gefü-
ges bis zum Zeitpunkt ihrer Redaktion. Der Chronik Dino Compag-
nis kann ein besonderer Wert zugeschrieben werden, weil er unter
anderem das Ziel verfolgte, sein Agieren während seiner Amtszeit
als Prior im Herbst 1301 zu rechtfertigen. Deswegen schildert er die
stürmischen Auseinandersetzungen, die bereits vor seinem Amts-
antritt ausgebrochen waren und die ihn schließlich zu einem vor-
zeitigen Rücktritt zwangen, in einer sonst kaum zu konstatierenden
Breite. Der Nachteil der Perspektivität einer Geschichtsschreibung,
die als Apologie in eigener Sache entstanden ist, wird aufgewogen
durch die präzise, detaillierte Innensicht auf soziale und politische
Konflikte. Weil in ihnen zunehmend die politische Struktur der
Stadtkommune, ja ihr innerer Zusammenhalt überhaupt auf dem
Spiel stand, ist diese Überlieferung in hervorragender Weise geeig-
net, die Bedingungen öffentlicher Interaktion in der späten Kom-
mune des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts rekonstruieren.

5.2.1 Konfliktführung in Florenz - eine Morphologie der Gewalt
Wie schon im 12. Jahrhundert gehörte auch in der Folgezeit ma-
nifeste Gewalt innerhalb der Stadtmauern zu den alltäglichen Er-
fahrungen der Bürger. Nach wie vor besaß die große Nähe, in der
Mitglieder einer mit einem aggressiven Ehrgenihl ausgestatteten
Elite beieinander lebten, höchste Brisanz. Zumindest in der Histori-
ographie wird vielfach berichtet, dass scheinbar alltägliche Begeg-
nungen in gewalttätige Auseinandersetzungen umschlugen und die
Feindschaften dann rasch eskalierten. Ein eindrucksvolles Beispiel
stellt etwa der Bericht über den Beginn der Auseinandersetzungen
zwischen den Cerchi und Donati in Florenz dar, den der Zeitgenos-
 
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