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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0385

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374

Politische Interaktion in der Stadtkommune des 13. Jahrhunderts

länder Gerichtsverfahren um das Jahr 1200 Urkunden als Beweis-
mittel deutlich an Bedeutung gewannen.^ Insgesamt kann nicht
deutlich genug betont werden, dass zu diesem Zeitpunkt nicht
mündliche Verhandlungen durch ein schriftliches Verfahren ersetzt
worden sind. Wie Thomas Wetzstein nachdrücklich betont, handelt
es sich lediglich um einen Protokollzwang, also um die Verpflich-
tung, das, was mündlich verhandelt worden war, auch schriftlich
aufzuzeichnen. Sowohl in der juristischen Theorie als auch in der
kommunalen Rechtspraxis blieb es aber während des 13. Jahrhun-
derts bei der hohen Wertschätzung direkter Interaktion zwischen
den Gerichtsparteien und dem Richter.^

5.3.2 Interaktion vor Gericht und öffentliche Kom-
munikation in der Kommune

Es ist bereits darauf verwiesen worden, dass die Zahl derjenigen, die
an einer Gerichtsverhandlung teilnahmen bzw. in Gerichtsurkun-
den Erwähnung fanden, im Laufe des 12. Jahrhunderts zunehmend
zurückging. In Genua etablierte sich ein Saal im Bischofspalast als
der Ort, an dem die Justizkonsuln im Regelfall zu Gericht saßen, in
Mailand scheint es in der Nähe des Bischofspalastes bei einem of-
fenen Platz, auf dem üblicherweise die Konsuln ihren Amtsgeschäf-
ten nachgingen, ein kleineres Gebäude gegeben zu haben. Dort, in
einer Laube im Erdgeschoss oder in einem Saal im Obergeschoss,
dürften die Gerichte während dieser Zeit getagt haben. Ob die Bür-
ger tatsächlich in größerer Zahl die prinzipiell während einer Ge-
richtssitzung zugänglichen Tagungsorte aufgesucht haben, ist nicht

251 ßEHRMANN, Sentenz, S. 84 f. Dieser Studie liegen Urkundenbestände zugrunde, die vor allem
den Besitz von Land und die Nutzung der daran hängenden Rechte betreffen. Möglicherweise
trägt dieser Umstand dazu bei, dass hier Urkunden als Beweisstücke rasch an Bedeutung ge-
winnen, da dieser Bereich nachweislich bereits seit dem 12. Jahrhundert in immer stärkerem
Maße das Objekt schriftlicher Erfassung wurde, wie nachgewiesen wird von DEMS., Dom-
kapitel; TREDE, Untersuchungen. Zur Frage des Vorlegens oder Verlesens von Urkunden bei
Gericht vgl. ARLiNGHAus, Theatre.
252 Zum Protokollzwang WETZSTEIN, Heilige, S. 38 f.; ebd. S. 39-41 die Diskussion, von wem Zeu-
gen einzuvernehmen sind und der Hinweis, dass die Forderung, Zeugen seien durch den
Richter selbst zu vernehmen, die Guilelmus Durantis in seinem ,Speculum iudiciale' erhebt,
eher aus theoretischen Überlegungen resultiert als aus der tatsächlich gepflegten Gerichts-
praxis.
253 Zu Genua siehe oben Kapitel 4 bei Anm 153-155; zu Mailand Atti, hg. v. MANARESi 1, S. L-LIII;
S. LXXI f. Die Frage der Zeugenschaft während Gerichtsverfahren behandelt WiCKHAM, Court
Practice.
 
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