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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0156

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Die frühe Genueser Kommune zwischen Fakten und Fiktionen

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Studie, die Interaktion zwischen Bürgern und Amtsträgern im Rah-
men politischer Handlungsfelder, haben sich die ersten umfangrei-
cheren städtischen Normen der noch jungen Kommune hingegen
als außerordentlich reichhaltiges Untersuchungsfeld erwiesen. Im
Zentrum der folgenden Analyse politischer Interaktion stehen nun
die Fragen, bis zu welchem Punkt sich die Genese dieser institu-
tioneilen Strukturen nachvollziehen lässt und an welchen Punkten
aufgezeigt werden kann, dass die Normen in der politischen Praxis
zur Geltung kamen bzw. wie ihre Ansprüche mit anderen Erwar-
tungen in Einklang gebracht oder von ihnen umgeprägt wurden.

4.3 Die frühe Genueser Kommune
zwischen Fakten und Fiktionen
4.3.1 Die Entstehung der Kommune und ihr Grün-
dungsmythos in den Kommunalannalen
Auch in Genua lassen sich Ansätze für eine spätere politische Selbst-
organisation der Stadtbevölkerung bereits weit vor der Wende vom
11. zum 12. Jahrhundert ausmachen. Wurden sie in Mailand von
Versammlungen von Klerus und Volk getragen, treten in Genua be-
reits im 10. Jahrhundert die Müafoms m cmiMr LmMrusi als Adres-
saten eines königlichen Privilegs in Erscheinung. Wie auch ein Jahr-
hundert später weist der in dieser Urkunde sichtbare Rekurs auf die
Rechtsgewohnheiten der Stadt in die Richtung eines Bewusstseins
für einen wenigstens in Grundzügen rechtlich zu fassenden eigenen
Status Genuas, ohne dass sich Aussagen über seine institutioneile
Ausgestaltung, die ihn tragenden Kräfte oder auch die tatsächliche
Relevanz der Urkunden treffen ließen.^ In der Anlage ihrer ,Libri
iurium' beanspruchte die spätere Kommune diese Privilegien als
Ausgangspunkte für ihre eigene Geschichte, für die Gewährleis-
tung ihrer Rechte gegenüber den Königen des ,regnum Italiae'
und gegenüber dem eigenen Umland. Wie viele Städte Nord- und
Mittelitaliens wurde auch Genua gegen Ende des 11. Jahrhunderts
in die Auseinandersetzungen des sogenannten Investiturstreits hi-
neingezogen. Die Zuordnung der Bischöfe zur gregorianischen
bzw. antigregorianischen Partei erlaubt es jedoch nur punktuell,
Konsequenzen für das innerstädtische Leben zu vermuten, auch

94 Zur Vor- und Frühgeschichte Genuas jetzt unter Zusammenfassung der zur Verfügung ste-
henden Belege BoRDONE, Origini. Die ,Libri iurium' beginnen mit den beiden Urkunden von
958 und 1056: Libri iurium, hg. v. PuNCUH u.a., 1, Nr. 1 (18. Juli 958), S. 4 ff.; Nr. 2 (Mai 1056),
S. 6-9. Vgl. auch PoLONio, Provincia, S. 125-136.
 
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