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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0157

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146

Die konsularische Kommune - Genua im 12. Jahrhundert

wenn es plausibel erscheint, dass phasenweise ein tiefer Riss durch
die Bevölkerung der Hafenstadt ging.^
Während die offiziell approbierten Kommunalannalen diese Er-
eignisse übergehen, nennen sie das Jahr 1099 als Beginn der eige-
nen Geschichte, denn in diesem Jahr habe man zum ersten Mal für
drei Jahre den Eid der comj9%g%% geleistet und Konsuln ernannt.^
Wenn herausgearbeitet wurde, dass diese scheinbar exakte Datie-
rung mehr Probleme aufwirft als sie löst, bedeutet dies nicht, die
offizielle Geschichtsdarstellung als Fälschung deklarieren zu müs-
sen. Vielmehr dient die Stilisierung der eigenen Anfänge einem
argumentativen Kalkül, dessen Rekonstruktion notwendig ist, um
die in den Annalen gebotenen Informationen mit den anderwärts
überlieferten Nachrichten abzugleichen.^ Grundsätzlich ist zu be-
rücksichtigen, dass die Annalen durch die kontinuierliche Anein-
anderreihung der Namen der Konsuln suggeriert, die ccwij9%g%% des
Jahres 1099 habe im Wesentlichen denselben institutioneilen Cha-
rakter besessen wie die Mitte des 12. Jahrhunderts etablierte Kom-
mune.^ Der lange Kristallisationsprozess neuer politischer Struktu-
ren verschwindet daher hinter dem Bild einer ,Kopfgeburt', durch
die das Erfolgsmodell der Selbstorganisation der Stadtbevölkerung
entstand. M^r noch: diese scheinbar ohne Vorläufer entstandene
Institution bindet der Bericht Caffaros an spektakuläre militärische
Erfolge der Genuesen im Heiligen Land, die als Ursprungsmythos
der Kommune dienen.
Tatsächlich zeichnen sich, wenn auch nur in Ansätzen, bereits vor
1099 die Umrisse einer neuen, auf kollektiven Eiden beruhenden
Organisation der Genuesen ab.^ In einem ebenfalls von Caffaro ver-
fassten Geschichtswerk, der ,Liberatio civitatum Orientis', erwähnt
er die Vorgeschichte der in den Annalen an den Anfang gestellten
Expedition. Nachdem sich bereits zuvor einige Männer am ersten
Kreuzzug beteiligt hätten, habe ein Bericht über die Einnahme Jeru-
salems dazu geführt, dass die Genuesen interne Konflikte beigelegt
hätten, um im Jahr 1100 eine schlagkräftige Expedition ins Heilige
Land zu entsenden. Entscheidend ist, dass Caffaro hier auf ältere
Formen städtischer Organisation anspielt: LmMCHSCS [...] gMcrms, cf
disconfms ^Mas m/h? sc f?%&c&%nf, jpcr aimMm cf düm'dmm

95 Vgl. neben BoRDONE, Origini, S. 249 f.; PoLONio, Provincia, S. 131 ff., auch DIES., Universalismo,
S. 90 f.
96 Annali genovesi, hg. v. BELGRANO - IMPERIALE Di SANT'ANGELO 1, S. 5: Tempore em'm sfoh Cesan'e,
paM?o a?ife, m cäuMe T?MMe?is;'MM eompagiM biMM awiorMm et sex consM?MM weepla ßuY.
97 ScHWEPPENSTETTE, Politik, S. 117-131; BELLOMO, A servizio.
98 WiCKHAM, Sense, v.a. S. 175.
99 Hier und im Anschluss BoRDONE, Origini, PoLONio, Provincia.
 
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