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Die konsularische Kommune - Genua im 12. Jahrhundert
als Beweise der Prozessparteien oder Zeugenaussagen,
die sich auf im kommunikativen Gedächtnis lokaler Gemeinschaf-
ten präsente Sachverhalte bezogen. Schrift wurde zusätzlich heran-
gezogen, um die vorgebrachten Behauptungen zu stützen, nicht je-
doch in einer Weise zitiert, die einen Nachvollzug der Entscheidung
nach Aktenlage ermöglichte. Nicht zuletzt das überaus knappe For-
mular der Urteile aus der Mitte des 12. Jahrhunderts kann als Indiz
für die dominierende Bedeutung direkter Interaktion gewertet wer-
den, da viele Aspekte der Konfliktstrategien so knapp verschriftet
wurden, dass sie ohne das Wissen der Zeitgenossen um die näheren
Umstände kaum verständlich sind.
4.4.2 Außergerichtliche Konfliktführung und -beilegung
4.4.2.1 Rigor mshfmc oder Die Kommune in den
innerstädtischen Konflikten der 1160er Jahre
Die Genueser Stadtregierung des Jahres 1169 sah sich bei ihrem
Amtsantritt vor scheinbar kaum zu bewältigende Herausforde-
rungen gestellt: Seitdem ein Handgemenge im Jahr 1164 einige Söh-
ne aus den führenden Familien das Feben gekostet hatte, war Genua
nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die sich ablösenden Regierungen
hatten kein Mittel gefunden, die Streitparteien zur Versöhnung zu
überreden oder gar dazu zu zwingen, sich dem Urteil der Kommu-
ne zu unterwerfen. Regelmäßig geforderte Eide, wenigstens einen
Waffenstillstand zu respektieren, erwiesen sich nicht als wirksames
Instrument, den innerstädtischen Frieden wiederherzustellen.^
Nachdem nun die Konsuln des Jahres 1169 durch den Zuzug zahl-
reicher Bewaffneter zunächst ihre eigene Machtposition in der Stadt
gefestigt hatten, konnten sie damit beginnen, die Konflikte zu un-
terdrücken oder sogar dauerhaft zu befrieden. Zunächst brachten
sie führende Vertreter der verfeindeten Familien dazu, sich in Fra-
gen des (Bürger-)Kriegs und Friedens sowie insbesondere der Bei-
legung der Streitigkeiten dem Befehl der Kommunalregierung zu
unterwerfen. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Rat unterschiedliche
Meinungen, wie weiter zu verfahren sei. Einige schlugen vor, man
solle jedem Geschädigten Gerechtigkeit widerfahren lassen, das
müsse genügen; andere hingegen warnten, man solle nicht auf Ge-
rechtigkeit aus sein, denn dadurch entstünden neue Risiken für die
228 Zu den Ereignissen vgl. ScHWEPPENSTETTE, Politik, S. 219-234; ErsTEiN, Genoa, S. 80-87; PoLO-
Nio, Provincia, S. 158-161.
Die konsularische Kommune - Genua im 12. Jahrhundert
als Beweise der Prozessparteien oder Zeugenaussagen,
die sich auf im kommunikativen Gedächtnis lokaler Gemeinschaf-
ten präsente Sachverhalte bezogen. Schrift wurde zusätzlich heran-
gezogen, um die vorgebrachten Behauptungen zu stützen, nicht je-
doch in einer Weise zitiert, die einen Nachvollzug der Entscheidung
nach Aktenlage ermöglichte. Nicht zuletzt das überaus knappe For-
mular der Urteile aus der Mitte des 12. Jahrhunderts kann als Indiz
für die dominierende Bedeutung direkter Interaktion gewertet wer-
den, da viele Aspekte der Konfliktstrategien so knapp verschriftet
wurden, dass sie ohne das Wissen der Zeitgenossen um die näheren
Umstände kaum verständlich sind.
4.4.2 Außergerichtliche Konfliktführung und -beilegung
4.4.2.1 Rigor mshfmc oder Die Kommune in den
innerstädtischen Konflikten der 1160er Jahre
Die Genueser Stadtregierung des Jahres 1169 sah sich bei ihrem
Amtsantritt vor scheinbar kaum zu bewältigende Herausforde-
rungen gestellt: Seitdem ein Handgemenge im Jahr 1164 einige Söh-
ne aus den führenden Familien das Feben gekostet hatte, war Genua
nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die sich ablösenden Regierungen
hatten kein Mittel gefunden, die Streitparteien zur Versöhnung zu
überreden oder gar dazu zu zwingen, sich dem Urteil der Kommu-
ne zu unterwerfen. Regelmäßig geforderte Eide, wenigstens einen
Waffenstillstand zu respektieren, erwiesen sich nicht als wirksames
Instrument, den innerstädtischen Frieden wiederherzustellen.^
Nachdem nun die Konsuln des Jahres 1169 durch den Zuzug zahl-
reicher Bewaffneter zunächst ihre eigene Machtposition in der Stadt
gefestigt hatten, konnten sie damit beginnen, die Konflikte zu un-
terdrücken oder sogar dauerhaft zu befrieden. Zunächst brachten
sie führende Vertreter der verfeindeten Familien dazu, sich in Fra-
gen des (Bürger-)Kriegs und Friedens sowie insbesondere der Bei-
legung der Streitigkeiten dem Befehl der Kommunalregierung zu
unterwerfen. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Rat unterschiedliche
Meinungen, wie weiter zu verfahren sei. Einige schlugen vor, man
solle jedem Geschädigten Gerechtigkeit widerfahren lassen, das
müsse genügen; andere hingegen warnten, man solle nicht auf Ge-
rechtigkeit aus sein, denn dadurch entstünden neue Risiken für die
228 Zu den Ereignissen vgl. ScHWEPPENSTETTE, Politik, S. 219-234; ErsTEiN, Genoa, S. 80-87; PoLO-
Nio, Provincia, S. 158-161.