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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0122

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Öffentliche Interaktion während der Genese der Kommune

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3.4 Öffentliche Interaktion während der Genese der
Kommune in Mailand: eine Zusammenfassung
3.4.1 Kommunikationsformen: Interaktion
zwischen Schrift, Wort und Geste
Die Spezifika öffentlicher Interaktion in Mailand während der lan-
gen Genese der Kommune lassen sich am besten erfassen, indem
noch einmal systematisch nach Kommunikationsformen gefragt
wird, die in den oben zusammengestellten Episoden zu beobach-
ten sind. Einerseits spielten öffentliche, direkte Begegnungen eine
dominierende Rolle, andererseits waren aber Schriftstücke in vielen
Momenten in der Öffentlichkeit präsent. Die spezifische Weise nun,
auf die Schrift und direkte Interaktion aufeinander bezogen waren,
eröffnet die Möglichkeit, sich der Eigenheiten öffentlicher Kommu-
nikation in Mailand zu Beginn der kommunalen Entwicklung zu
vergewissern.
In den überlieferten Episoden spielen an verschiedenen Stellen
Urkunden eine zentrale Rolle, so die Bischofsurkunde und die an-
deren, schriftlich abgegebenen Versprechen der Mailänder Kleriker
im Legationsbericht Petrus' Damiani. Wie er selbst ausführt, war er
darum bestrebt, eine dauerhafte Geltung der von ihm getroffenen
Entscheidungen dadurch abzusichern, dass er sich Versprechen des
Erzbischofs und der Kleriker mündlich und schriftlich geben ließ,
die das Reichen der Hand sowie Evangelieneide bekräftigten.^ Die
schriftlichen Fixierungen standen also in einem plurimedialen En-
semble, durch das vor aller Augen, aber in der Form einer persönlich
entgegengenommenen Zusage, Handlungsdispositionen auf Dauer
gestellt wurden. Die Präsentation von Urkunden als sichtbare Ob-
jekte oder die Verlesung ihres Textes in öffentlichen Situationen
sind für die Auseinandersetzung Erzbischof Widos mit den Führern
der Pataria im Jahr 1066 ebenso belegt wie für Liprands Widerstand
gegen Grossolan kurz nach dessen Wahl im Jahr 1102G Liprands
Versuch, eigene Ansprüche durch das Verlesen von Urkunden zu
belegen, war jedoch dabei kein Erfolg beschieden. Neben diesen
Erzählungen oelegen die erhaltenen Dokumente selbst die konti-
nuierliche Präsenz schriftlicher Aufzeichnungen in der öffentlichen
Kommunikation, so die Synodalurkunde Anselms IV. aus dem Jahr
1098 oder die schriftlichen Ausfertigungen öffentlich verhandelter
Gerichtsverfahren' aus den Jahren 1117 bis 1138G Dass Schriftlich-

221 Programmatisch weist Petrus Damiani am Ende seines Berichts auf die vielfache Absicherung
durch Schriftstücke, mündlich vorgebrachte und auf Evangelien geleistete Eide hin: Petrus
Damiani, Briefe 2, Nr. 65, S. 247.
222 S. oben bei Anm. 151-152; 164-166.
223 Die Texte bei ZERBi, Habitu, S. 524 ff.; Atti, hg. v. MANARESi, Nr. 1-4, S. 3-9.
 
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