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Dartmann, Christoph
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0070

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Die Mailänder CoMh'o im 11. und frühen 12. Jahrhundert

59

tation konnten und mussten die wechselseitigen Ansprüche und
Kompetenzen ausgehandelt werden; der direkten Begegnung kam
die Funktion zu, die jeweiligen Positionen zu definieren und mr die
anderen verständlich zum Ausdruck zu bringen, so dass der per-
formative und der expressive Charakter dieser Interaktion ineinan-
der fielen.^ Für die Dauer der Präsenz der römischen Legaten in
Mailand hielt die nach dem Eklat um die Sitzplätze ausgehandel-
te Rollen- und Kompetenzenzuschreibung. Für den wenig stabilen
Rahmen der Interaktion und ihrer inhaltlichen Feststellungen ist
es jedoch bezeichnend, dass keines der Probleme dauerhaft gelöst
war und sich die Akteure rasch wieder von den einmal getrödenen
Entscheidungen abwandten. Die Einwohnerversammlung wird in
diesem Zusammenhang deutlich als nicht übergehbarer Akteur in
einer von großer Offenheit geprägten Situation fassbar, ohne aller-
dings selbst die Interaktion zu prägen.

3.3 Die Mailänder Cowfio im 11. und
frühen 12. Jahrhundert
Das Resultat des Auftritts der römischen Legaten in Mailand war ein
prekäres Gleichgewicht, das erst während der öffentlichen Interak-
tion selbst austariert worden war und keinen dauerhaften Bestand
hatte. Entgegen der Hoffnung, durch seine Intervention die inneren
Auseinandersetzungen in der Mailänder Kirche zu befrieden, konn-
te Petrus Damiani weder dauerhaft die moralische Praxis des Kle-
rus normieren noch das Ringen darum beenden, welcher Anteil den
lokalen Akteuren an der Beilegung des weiterschwelenden Kon-
flikts zukam. Auch nach der eindrucksvollen Buße und Rekonzili-
ation des Klerus spielten, modern gesprochen, sowohl inhaltliche
als auch Verfahrensfragen in den weiteren Auseinandersetzungen
eine zentrale Rolle. Das ^erfahren' sorgte also nicht - wie von den
Protagonisten wohl erhofft - zu einer Verstetigung von Handlungs-
dispositionen und einer gestärkten Erwartungssicherheit.
Wegen der kontinuierlichen inhaltlichen Konflikte und wegen
der Schwächung der institutioneilen Rahmenbedingungen, die da-
mit einher ging, kam auch in der Folgezeit den versammelten Mai-

80 Anders als in Inszenierungen, die lediglich der ,öfferttlichkeitswirksamen' Demonstration zu-
vor ausgehandelter Entscheidungen dienten, wie etwa in der symbolischen Kommunikation
zwischen dem König und den Großen im Reich der Ottonen und Saher oder auch in der
telegenen Inszenierung zeitgenössischer Politik: ALTHOFF, Spielregeln; MÜNKLER, Theatralisie-
rung.
 
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