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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0286

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Jenseits der Stadtmauern - die Sicherung der eigenen Einflusssphäre

275

4.6.3 Zwischen Verhandlung und Gewaltanwendung - direkte Interaktion
und Schrift in den Genueser Außenbeziehungen des 12. Jahrhunderts

Die Kommune von Genua war seit dem 12. Jahrhundert intensiv
darum bemüht, ihren Einfluss jenseits der Stadtmauern dauerhaft
zur Geltung zu bringen und gegen rivalisierende Herrschaftsträger
abzusichern. Zunächst betraf dies den eigentlichen Contado der
Stadt, also die Zone, die die Eidbreven mit der Formel % ad
Gcsfam, a iaeo ad mam umschreiben, einen ca. 90 km langen
Küstenstreifen mit seinem steil ansteigenden Hinterland A Darüber
hinaus kontrollierte Genua mehr oder weniger unangefochten die
wichtigen Küstenorte von Monaco oder Venfimiglia im Westen bis
nach Portovenere im Osten, also auf einer Länge von rund 300 km A
Weniger erfolgreich waren die Versuche, größere Teile von Sardini-
en dauerhaft zu unterwerfen. Dort musste sich die Kommune eben-
so wie an den Rändern der ligurischen Küste mit starken Rivalen
auseinandersetzen, die ähnliche Ziele verfolgten.^
Gemeinsam ist den Feldern Genueser Außenpolitik', dass sich
die Herrschaft über den Contado oder über andere Zonen nicht
gleichmäßig ausbreitete wie ein Olfleck auf der Wasseroberflä-
che.^ Vielmehr konnte die Kommune nur dann ihre Ziele errei-
chen, wenn sie die lokalen Machtverhältnisse anerkannte und eine
Strategie fand, sie den eigenen Interessen dienstbar zu machen.
Wie anhand der kommunalen Gerichtsbarkeit plausibel gemacht
werden konnte, kooperierten der Erzbischof und die Stadtregie-
rung zu beiderseitigem Vorteil bei der juristischen Neudefinition
der Herrschaftsverhältnisse im Umland der Stadt A In den Urteilen
wurden bestehende, aber umstrittene Ansprüche der Kirche unter
Rückgriff auf die bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelten
juristischen Kategorien neu justiert und neu schriftlich fixiert. Die
Machtverhältnisse verschoben sich durch die Verfahrensflut ab den
1140er Jahren allem Anschein nach zugunsten des Erzbischofs. Zu-
gleich bekam die Kommunalregierung die Chance, ihre Gerichtsge-
walt und Entscheidungskompetenz zur Schau zu stellen und damit
ihre Fähigkeit zur Konfliktbeilegung effektvoll zu inszenieren.^

482 Die Grenzen des Genueser Contado diskutiert PAvoNi, Comitato; zur zitierten Formel siehe
oben Kapitel 4.2 mit Anm. 71 und 74.
483 Als Grenzen des Genueser Herrschaftsbereichs benennt etwa das Privileg Friedrich Barbaros-
sas vom Frühjahr 1162 die Orte Monaco und Portovenere: Fibri lurium, hg. v. PuNCUH - RovE-
RE u.a. 2, Nr. 285 (9. Juni 1162), S. 20-27; zu Ventimiglia siehe oben Kapitel 4.6.1.
484 Siehe dazu oben, Kapitel 4.6.2.
485 Dieser Vergleich bei ALBERTONi - PROVERO, Feudalesimo, S. 104.
486 VALLERANi, Documentazione.
487 Siehe die Hinweise oben, Kapitel 4.4.1.3 bei Anm. 231. Den symbolischen Gewinn, den die
sichtbare Ausübung von Amtsgewalt abwirft, diskutiert am Beispiel frühneuzeitlicher Visita-
 
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