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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0088

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Die Mailänder CoMÜ'o im 11. und frühen 12. Jahrhundert

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3.3.2 Die Einwohnerversammlung (II.): die Pataria (1057-1075)
Anlässlich der Bischofswahlen musste mit einer gewissen Regel-
mäßigkeit unter Beteiligung der versammelten Kleriker und Laien
eine Entscheidung zugunsten einer Person gefunden werden. Für
zwei Phasen während der Formierung kommunaler Strukturen ist
es darüber hinaus anhand zahlreicher Berichte von Einwohnerver-
sammlungen bzw. anderen öffentlichen Situationen möglich, di-
rekte Interaktion auf den Straßen und Plätzen von Mailand zu ana-
lysieren. Die anlässlich der Pataria entstandenen Geschichtswerke
bieten ausführliches Material für die Jahre 1057-1075. Während für
den folgenden Zeitraum vergleichbare Quellen fehlen, beinhaltet
die über die Jahre 1097-1137 berichtende ,Historia' des sogenann-
ten ,Landulf iunior' erneut eindrucksvolle und zum Teil detaillierte
Schilderungen gleichartiger Ereignisse. Neben kollektiver Entschei-
dungsfindung treten somit Akte der öffentlichen Agitation sowie
andere Strategien der Konfliktführung und -beilegung in den Blick,
die die Bedingungen und Möglichkeiten politischen Agierens in der
Öffentlichkeit über die bisher skizzierten begrenzten Handlungsfel-
der hinaus erschließen. Erst dadurch können die Rahmenbedingun-
gen für die sich verfestigenden Strukturen einer Kommune nachge-
zeichnet werden, die sich in diesen öffentlichen Interaktionen selbst
konstituierte.
Zunächst jedoch kurz zur Topographie der Öffentlichkeit: Wel-
che Orte wurden für eine Einwohnerversammlung genutzt? Diese
Frage ist von entscheidender Bedeutung, denn für etablierte Stadt-
gemeinden, so die frühneuzeitliche Stadt, ist ja jüngst darauf ver-
wiesen worden, dass nur eine am rechten Platz versammelte Menge
als Bürgerversammlung angesehen werden kann.^ Im Zuge der
oben behandelten BeriHite über die Gesandtschaft Petrus' Damia-
ni nach Mailand sowie die Mailänder Bischofswahlen des 11. und
beginnenden 12. Jahrhunderts findet neben der Kathedralkirche
S. Maria Hiemalis ein Platz beim Bischofspalast Erwähnung. An
beiden Orten befanden sich Kanzeln oder Rednerpulte, die die
Sicht- und Hörbarkeit dessen, was die Protagonisten taten und sag-
ten, gewährleisteten. Was für die Kathedrale nicht eigens begründet
werden muss, gilt auch für den Versammlungsort beim Bischofs-
palast, für den Petrus Damiani auf die Existenz eines ptdpÜMm ver-
weist, von dem aus er zur versammelten Menge gesprochen habe.
Dass es sich nicht um einen lediglich ad hoc gewählten Ort handel-
te, belegt der Umstand, dass dort eine vorhanden war.

126 ScHLÖGL, Vergesellschaftung. Diese Argumentation ist bereits zeitgenössisch belegt für die
piemontesische Stadt Asti im Jahr 1307: Guilielmo Ventura, Memoriale 48, Sp. 760 [= ND
S. 216].
 
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