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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0391

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380

Politische Interaktion in der Stadtkommune des 13. Jahrhunderts

Die Entfaltung dieser Typologie kommunaler Grausamkeiten
fällt ins 13. Jahrhundert. Sie ist eng verbunden mit dem neuen An-
spruch der Kommunalregierung, als legitime öffentliche Gewalt
Verstöße gegen die Rechtsordnung zu bestrafen, resultiert also
nicht zuletzt aus der Implementierung neuer Doktrinen des gelehr-
ten Rechts in die städtische Regierungspraxis. Zusammen mit der
allgemein zugänglichen Gerichtsbarkeit und der Veröffentlichung
kommunaler Bannsprüche inszenierte sich die Zwangsgewalt der
Regierung in der direkten Interaktion der Stadt. Dem Anspruch
nach bestrafte die Kommune Übeltäter, schreckte dadurch andere
fragwürdige Charaktere ab und gewährleistete durch die Aufrecht-
erhaltung eines streng urteilenden Gerichtswesens den Frieden in
der Stadt. Der Galgen, an dem ein Hingerichteter baumelte, wurde
zum Sinnbild für die Sicherheit im gesamten Herrschaftsbereich der
Kommune.^ Die öffentliche Inszenierung ihrer Strafgewalt war je-
doch für Störungen anfällig, denn wenn zahlreiche Bürger Zeugen
ihrer Aktivitäten sein sollten, konnten sie die Abläufe unterbrechen,
um Dissens zu manifestieren. Diejenigen, die einer Aufführung des
„Theaters des Schreckens" beiwohnten, waren alles andere als ein
passives Publikum, sie beteiligten sich aktiv an der Performance
oder ließen sie sogar völlig aus dem Ruder laufen.

5.3.3 Gerichtsbarkeit und Konfliktpraxis

Die kommunale Gerichtsbarkeit erweiterte im 13. Jahrhundert ihre
Zuständigkeiten: Neben die Zivilgerichtsbarkeit traten Strafverfah-
ren, neben den Prozess aufgrund der Klage eines Geschädigten der
Inquisitionsprozess, in dem der Richter cx gegen eine Straf-
tat vorging. Zeugen davon sind nicht nur statutarische Normen,
sondern auch kommunale Gerichtsregister, die seit der Mitte des
13. Jahrhunderts vereinzelt überliefert sind. Ihre Auswertung er-
möglicht Einblicke in die städtische Gerichtspraxis, die dazu bei-
tragen können, das Bild einer sich rasch modernisierenden und
an Effizienz gewinnenden Gerichtsbarkeit zu relativieren.^ Das

274 Vgl. die Darstellung der SccMrüas in Ambrogio Lorenzettis Fresko ,Die Auswirkungen der
guten Regierung auf Stadt und Land' in der Sala della Pace des Sieneser Palazzo Pubblico:
Die allegorische Figur schwebt oberhalb des Stadtportals und hält in der linken Hand einen
Galgen mit einem erhängten Übeltäter, in der Rechten ein Spruchband, das auf die heilsamen
Folgen plausibler Strafandrohungen verweist. Die Abbildung in ßELTiNG - BLUME, Malerei,
Abb. IV. und Abb. 21. Zum Verhältnis dieser programmatischen Malerei zur Interaktion in der
Stadt bereits DARTMANN, Furor.
275 Die folgenden Ausführungen fußen auf den Studien VALLERANi, Sistema; DERS., Giustizia. Für
Florenz auch ZoRzi, Amministrazione.
 
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