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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0218

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Gerichte und innerstädtische Konflikte

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ein zufälliges Aufeinandertreffen derselben Männer auf der Straße
haben konnte, ist die Intervention der Kommune, die ein solches
Treffen ermöglichte, selbst dann als tiefer Eingriff in die städtische
Interaktion zu werten, wenn nicht die kommunalen Normen durch-
gesetzt wurden, sondern als plausible Drohung eingesetzt wurden,
um die Versöhnung zu ermöglichen.

4.4.3 Konfliktpraktiken in einer sich etablierenden Kommune

Wie bereits eingangs dieses Kapitels vermerkt, stellt die Frage nach
gerichtsförmiger wie außergerichtlicher Konfliktpraxis so etwas
wie einen Lackmustest für die Kristallisation kommunaler Struk-
turen dar. Denn zum einen wird in der Gerichtsbarkeit ab den
1140er Jahren ein erstes Element administrativer Routine greifbar,
zum anderen erweist sich an dieser Stelle, bis zu welchem Maße die
normativen Vorgaben und das kommunale Personal tatsächlich in
die innerstädtische Interaktion eingreifen konnten.
Die - wenn auch nur fragmentarisch greifbare - Geschichte kom-
munaler Gerichtsbarkeit in Genua während der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts lässt die allmähliche Etablierung der Kommune
wie auch ihren qualitativen Umschlag gegen 1140 deutlich erken-
nen. An anderem Material bestätigt sich also die Chronologie der
Genese der Stadtkommune, die für Mailand aus ganz anderer Per-
spektive gewonnen werden konnte. Bereits seit Beginn des Jahr-
hunderts tauchen proto- oder frühkommunale Akteure zunehmend
in den Quellen auf, wirkten aber noch im Rahmen anderer, in aller
Regel kirchlich geprägter Kommunikationsabläufe. Ab dem zwei-
ten Drittel des Jahrhunderts änderte sich das, denn nun gab es eine
Routine kommunaler Amtstätigkeit: Justizkonsuln präsidierten
standardisierten Verfahren, in denen den Prozessparteien feste Rol-
len zugewiesen waren, die sie allem Anschein nach in den meisten
Fällen tatsächlich anerkannten. Somit etablierten sich im städti-
schen Leben feste Zeiten und Orte, in denen Menschen sich in den
Rahmen kommunaler Vorgaben stellten und damit die Legitimität
der neuen Regierungsform bekräftigten. Ein Indiz für die gewonne-
ne Anerkennung ist der Rückzug der kommunalen Gerichtsbarkeit
aus der Öffentlichkeit. Der Justizkonsul kann seines Amtes walten,
weil ihm unterstellt wird, dass er sich an die Vorgaben des Amtsei-
des hält und weil man zugleich von den anderen Prozessbeteiligten
erwartet, dass sie sich gleichfalls den kommunalen Normen unter-
werfen.
 
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