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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0142

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Die Genueser Eidbreven - ein Idealbild der geordneten Kommune

131

Hilfe des aus dem Jahr 1143 stammenden Eidbreve. Im regelmä-
ßigen Rhythmus der Bürger- und Amtseide wurde so in feierlichen
Sprechakten die rechtliche Struktur der Stadtkommune begründet
und von den Akteuren als verbindlicher Interaktionsrahmen aner-
kannt. Die komplementären Eide von Amtsträgern und Bürgern
wurden zum Ausgangspunkt für eine Entfaltung und schriftliche
Aufzeichnung städtischer Normensysteme, die im 13. Jahrhundert
in städtischen Gesetzbüchern, den sogenannten Statutencodices,
kodifiziert werden sollten. Zuvor dienten Eidbreven als Sprech-
vorlagen oder auch der Erinnerung der Amtsträger an die ihnen
übertragenen Aufgaben.^ Zugleich konnten in die Bürgereide selbst
oder auch in eigene Breven spezielle, für bestimmte gesellschaft-
liche Sondergruppen formulierte Normen oder Einzelvorgaben fi-
xiert werden. Die Genueser Bürger leisteten etwa in den Jahren 1157
und 1161 einen Eid auf Regelungen zur Pfandhinterlegung, die nur
für diejenigen galten, die im Seehandel tätig waren. Die Eidbre-
ven zeigten nicht nur bei der Integration derartiger Sondereide die
Leistungskraft einer eher offenen Textgattung. Auch das Einflech-
ten von Verweisen auf Verträge mit auswärtigen Herrschaftsträgern
in die Sprechvorlagen belegt den Willen, in möglichst breiter Form
wesentliche Grundlagen für die städtische Politik und das städ-
tische Leben dauerhaft festzulegen und durch iteratives Verlesen
und Beschwören abzusichernA Die Eide der Konsuln und der Bür-
ger lassen den Anspruch erkennen, jeden, bei dem dies opportun
schien, in die Gemeinde einzugliedern. Explizit werden denjenigen
Nachteile vor Gericht und im Handel angedroht, die sich trotz einer
an sie ergangenen öffentlichen Aufforderung weigerten, ein
mcufMm compagnc abzulegen.^
Die konkreten Umstände, unter denen diese Eide geleistet wur-
den, lassen sich den Texten selbst kaum entnehmen. Der Eid der
Konsuln ist als subjektiver Eid des gesamten Gremiums im Plural
formuliert, lediglicn Bestimmungen zum Verbot eigenmächtigen

35 Die Pistoieser Eidbreven aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts schreiben etwa vor, dass
die Konsuln bzw. der Podestä sich monatlich ihre Amtseide durchlesen oder vorlesen lassen,
um alle Bestimmungen zu beachten: Statuti pistoiesi, hg. v. RAUTY, Breve consulum 87, S. 215;
Statutum potestatis 74, S. 317; zur Datierung dieser Eidbreven vgl. LÜTKE WESTHUES, Beobach-
tungen.
36 Codice diplomatico, hg. von IMPERIALE Di SANT'ANGELO 1, Nr. 285 (Februar 1157), S. 350-359,
hier S. 358; vgl. auch ebd. S. 356 ff., Sonderregelungen für Richter und Advokaten.
37 Ebd. Nr. 128 (1143), S. 153-166, hier S. 166, unter Hinweis auf COMUCMÜOMCS mit den Nachbar-
städten Lucca, Pisa und Tortona sowie dem Kaiser von Byzanz. Vgl. zu dieser Technik der
Vertragssicherung ScHARFF, Sicherung.
38 Codice diplomatico, hg. von IMPERIALE Di SANTANGELO 1, Nr. 128 (1143), S. 153-166, hier
S. 156 f.
 
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