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Die Genese der Kommune in Mailand (1050-1140)
Drittel des 12. Jahrhunderts prägend werden sollten. Und für ein
Verständnis dieser Entwicklungen kann es von Gewinn sein, bereits
diese älteren Belege in eine Erzählung von der Genese der Kommu-
ne einzuordnen, um deutlich herauszuarbeiten, dass diese neue, die
kommende Geschichte dominierende politische Formation nicht
aus einem radikalen Bruch mit älteren Formen der Organisation
von Gesellschaft hervorging. Entscheidend ist aber, dass die einzel-
nen Belege für Vorläufer kommunaler Strukturen keine Rückpro-
jektion späterer Verhältnisse auf das beginnende 12. Jahrhundert
ermöglichen. Vor dem Hintergrund der oben zusammengestellten
Ergebnisse verbietet es sich etwa, für die kurze Amtszeit Erzbischof
Anselms IV. bereits von der vollen Ausbildung einer kommunalen
Organisation auszugehen, die von einer neuen, laikalen Elite ge-
tragen worden ist, die in der Rekonstruktion wiederum zum Prot-
agonisten bestimmter politischer Optionen erhoben wird.^ Auch
die Nennung städtischer Konsuln, die gemeinsam mit Erzbischof
Jordanus im Jahr 1117 verschiedentlich in der Öffentlichkeit agier-
ten, kann nicht dafür herhalten, eine Emanzipation der Kommune
von der kirchlichen Bischofsherrschaft zu beweisen, die mit einer
klaren Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre
einherging.^ In diesen Modellen wird eine klare, stabile institutio-
neile Verfestigung einer eigenständigen politischen Organisation
der Bürgerschaft unterstellt. Statt dessen ist aber mit einer langen
Phase höchst prekärer Strukturen zu rechnen, die unterschiedli-
che Formen kollektiven Agierens der Bewohner Mailands zuließen
oder sogar notwendig machten, teils mit, teils ohne oder sogar ge-
gen den Bischof, meist aber im Zusammenwirken von Klerus und
Laien. Aus dieser längeren Experimentierphase heraus entwickelte
sich erst die Kommune im engeren Sinne, die in Mailand etwa seit
den 1140er Jahren mit einer gewissen Regelmäßigkeit als richtende
Instanz zu fassen ist.^ Diese Verfestigung lässt sich allerdings we-
gen des Abbrechens der historiographischen Überlieferung nir die
lombardische Metropole allenfalls in Umrissen fassen.
233 Anders etwa RossiNi, Note; AMBROsiONi, Milano.
234 Vor allem die beiden Tribünen, auf denen nach Landulf iunior während der Versammlung
der Städte der Lombardei die Kleriker und die Laien Platz fanden, sind geradezu zu einem
Symbol für den Dualismus von geistlicher und weltlicher Macht erhoben worden; vgl. dazu
kritisch PERELLi Cirro, S. 9-12.
235 KELLER, Inizi, S. 48-52.
Die Genese der Kommune in Mailand (1050-1140)
Drittel des 12. Jahrhunderts prägend werden sollten. Und für ein
Verständnis dieser Entwicklungen kann es von Gewinn sein, bereits
diese älteren Belege in eine Erzählung von der Genese der Kommu-
ne einzuordnen, um deutlich herauszuarbeiten, dass diese neue, die
kommende Geschichte dominierende politische Formation nicht
aus einem radikalen Bruch mit älteren Formen der Organisation
von Gesellschaft hervorging. Entscheidend ist aber, dass die einzel-
nen Belege für Vorläufer kommunaler Strukturen keine Rückpro-
jektion späterer Verhältnisse auf das beginnende 12. Jahrhundert
ermöglichen. Vor dem Hintergrund der oben zusammengestellten
Ergebnisse verbietet es sich etwa, für die kurze Amtszeit Erzbischof
Anselms IV. bereits von der vollen Ausbildung einer kommunalen
Organisation auszugehen, die von einer neuen, laikalen Elite ge-
tragen worden ist, die in der Rekonstruktion wiederum zum Prot-
agonisten bestimmter politischer Optionen erhoben wird.^ Auch
die Nennung städtischer Konsuln, die gemeinsam mit Erzbischof
Jordanus im Jahr 1117 verschiedentlich in der Öffentlichkeit agier-
ten, kann nicht dafür herhalten, eine Emanzipation der Kommune
von der kirchlichen Bischofsherrschaft zu beweisen, die mit einer
klaren Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre
einherging.^ In diesen Modellen wird eine klare, stabile institutio-
neile Verfestigung einer eigenständigen politischen Organisation
der Bürgerschaft unterstellt. Statt dessen ist aber mit einer langen
Phase höchst prekärer Strukturen zu rechnen, die unterschiedli-
che Formen kollektiven Agierens der Bewohner Mailands zuließen
oder sogar notwendig machten, teils mit, teils ohne oder sogar ge-
gen den Bischof, meist aber im Zusammenwirken von Klerus und
Laien. Aus dieser längeren Experimentierphase heraus entwickelte
sich erst die Kommune im engeren Sinne, die in Mailand etwa seit
den 1140er Jahren mit einer gewissen Regelmäßigkeit als richtende
Instanz zu fassen ist.^ Diese Verfestigung lässt sich allerdings we-
gen des Abbrechens der historiographischen Überlieferung nir die
lombardische Metropole allenfalls in Umrissen fassen.
233 Anders etwa RossiNi, Note; AMBROsiONi, Milano.
234 Vor allem die beiden Tribünen, auf denen nach Landulf iunior während der Versammlung
der Städte der Lombardei die Kleriker und die Laien Platz fanden, sind geradezu zu einem
Symbol für den Dualismus von geistlicher und weltlicher Macht erhoben worden; vgl. dazu
kritisch PERELLi Cirro, S. 9-12.
235 KELLER, Inizi, S. 48-52.