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A.II. Königliche Ehen im frühen Mittelalter: Ansprüche und Praktiken
Menschen auf Erden bezeichnet.46 Auch wenn etwa das Zeugen von Nach-
kommen, das als „der einzige objektive Grund oder Zweck der Ehe"47 galt, nicht
verwirklicht werden konnte und die Ehe etwa wegen Unfruchtbarkeit, aber auch
auf Grund von Enthaltsamkeit48 kinderlos blieb, waren sich die im Sakrament
gebundenen Partner ohne Abstriche weiterhin zur ehelichen Treue verpflichtet,
die erst der Tod löste.49 Zwar kannte das kirchliche Buß recht, das sich im Laufe
des Mittelalters nach und nach entwickelte, ähnlich wie die ,Leges' zahlreiche
Verstöße, die unter anderem auch eine Trennung der Eheleute nach sich ziehen
konnten, doch war eine solche höchstens körperlicher Natur - in der Regel sogar
lediglich auf sexuelle Enthaltsamkeit und nicht auf Trennung der „ Arbeits- und
Wirtschaftsgemeinschaft" bezogen50 - und schloss grundsätzlich51 die Mög-
lichkeit einer erneuten Heirat mit einem anderen Partner aus.52
b. Ehebruch
Zu den schwersten Verstößen gegen die Regeln des ehelichen Zusammenlebens
von Mann und Frau gehörte zweifellos - sowohl im christlichen als auch im
weltlichen Verständnis - die sexuelle Untreue, der Ehebruch (lat. adulterium,
auch fornicatio, probrum, stuprum, moechatio/moechimonium).53 Die frühmittelal-
terlichen, noch wenig christlich geprägten ,Leges' diskutieren nahezu aus-
schließlich Fälle, in denen ein Mann unbestimmten Familienstandes ein sexuelles
Verhältnis zu einer verheirateten Frau hatte. Sanktionen gegen einen verheira-
teten Mann, der nebeneheliche sexuelle Kontakte pflegte und damit seine eigene
46 Augustinus, De bono coniugali, ed. Zycha, c. 7, S. 196: usque adeo foedus illud initum nuptiale
cuiusdam sacramenti res est, ut nec ipsa separatione inritumfiat, quandoquidem uiuente uiro et a quo
relicta est moechatur, si alteri nupserit, et Ule huius mali causa est qui reliquit; auch ebd., c. 7,7, S. 197,
ebd., c. 15, S. 209. Vgl. Bruns, Das Ehe-sacramentum; Reynolds, Marriage, S. 280-311; Walsh,
Introduction, S. xx-xxiv; zur Entwicklung in der Karolingerzeit Toubert, La theorie, S. 268-280.
47 Bruns, Das Ehe-sacramentum, S. 215. Siehe z. B. Augustinus, De adulterinis coniugiis libri II, ed.
Zycha, II, c. 12, S. 396: propagatio itaquefiliorum ipsa est prima et naturalis et legitima causa nuptiarum.
Allerdings erscheint sexuelle Enthaltsamkeit noch wünschenswerter, etwa ders., De bono con-
iugali, ed. Zycha, c. 6, S. 195. Zur Zeugung von Nachkommen als Zweck der Ehe vgl. auch Peters,
Die Ehe, S. 14-30.
48 Diese galt nach Mt 19,10f.; Lk 18,29f. durchaus als gottgewollt. Zum christlichen Keuschheits-
ideal etwa Clark, The celibate bridegroom.
49 Zur Forderung der Treue gar über den Tod hinaus Kötting, Die Beurteilung.
50 Vgl. Weber, Ein Gesetz 1, S. 175-187, Zitat S. 176. Zur Entwicklung des Bußwesens und den
Quellen Wasserschleben, Die Bußordnungen, S. 1-89; Schmitz, Die Bussbücher, S. 11-110, S. 588-
741; in jüngerer Zeit Kottje, Die Bußbücher Halitgars; Payer, Early Medieval Regulations; Kör-
ntgen, Studien; Lutterbach, Die Bußordines; Lutterbach, Sexualität; Meens, The frequency; zur
Verbreitung der Bußbücher im 9. Jh. Hartmann, Kirche, S. 71-78.
51 Zur umstrittenen Ausnahme der porneia nach Mt 19,9 siehe ausführlich unten Anm. 74 und Anm.
75; zum Sonderfall des Inzests Ubl, Inzestverbot.
52 Vgl. Reynolds, Marriage, S. 173-226, hier bes. S. 213 ff.; Weber, Ein Gesetz 1, S. 177-187, sowie hier,
unten.
53 Zur lateinischen Begrifflichkeit, die nicht nur Ehebruch, sondern auch allgemein Unzucht be-
deuten kann vgl. Graf, Der Ehebruch, S. 45-48; Weber, Ein Gesetz 1, S. 26, S. 154-157.
A.II. Königliche Ehen im frühen Mittelalter: Ansprüche und Praktiken
Menschen auf Erden bezeichnet.46 Auch wenn etwa das Zeugen von Nach-
kommen, das als „der einzige objektive Grund oder Zweck der Ehe"47 galt, nicht
verwirklicht werden konnte und die Ehe etwa wegen Unfruchtbarkeit, aber auch
auf Grund von Enthaltsamkeit48 kinderlos blieb, waren sich die im Sakrament
gebundenen Partner ohne Abstriche weiterhin zur ehelichen Treue verpflichtet,
die erst der Tod löste.49 Zwar kannte das kirchliche Buß recht, das sich im Laufe
des Mittelalters nach und nach entwickelte, ähnlich wie die ,Leges' zahlreiche
Verstöße, die unter anderem auch eine Trennung der Eheleute nach sich ziehen
konnten, doch war eine solche höchstens körperlicher Natur - in der Regel sogar
lediglich auf sexuelle Enthaltsamkeit und nicht auf Trennung der „ Arbeits- und
Wirtschaftsgemeinschaft" bezogen50 - und schloss grundsätzlich51 die Mög-
lichkeit einer erneuten Heirat mit einem anderen Partner aus.52
b. Ehebruch
Zu den schwersten Verstößen gegen die Regeln des ehelichen Zusammenlebens
von Mann und Frau gehörte zweifellos - sowohl im christlichen als auch im
weltlichen Verständnis - die sexuelle Untreue, der Ehebruch (lat. adulterium,
auch fornicatio, probrum, stuprum, moechatio/moechimonium).53 Die frühmittelal-
terlichen, noch wenig christlich geprägten ,Leges' diskutieren nahezu aus-
schließlich Fälle, in denen ein Mann unbestimmten Familienstandes ein sexuelles
Verhältnis zu einer verheirateten Frau hatte. Sanktionen gegen einen verheira-
teten Mann, der nebeneheliche sexuelle Kontakte pflegte und damit seine eigene
46 Augustinus, De bono coniugali, ed. Zycha, c. 7, S. 196: usque adeo foedus illud initum nuptiale
cuiusdam sacramenti res est, ut nec ipsa separatione inritumfiat, quandoquidem uiuente uiro et a quo
relicta est moechatur, si alteri nupserit, et Ule huius mali causa est qui reliquit; auch ebd., c. 7,7, S. 197,
ebd., c. 15, S. 209. Vgl. Bruns, Das Ehe-sacramentum; Reynolds, Marriage, S. 280-311; Walsh,
Introduction, S. xx-xxiv; zur Entwicklung in der Karolingerzeit Toubert, La theorie, S. 268-280.
47 Bruns, Das Ehe-sacramentum, S. 215. Siehe z. B. Augustinus, De adulterinis coniugiis libri II, ed.
Zycha, II, c. 12, S. 396: propagatio itaquefiliorum ipsa est prima et naturalis et legitima causa nuptiarum.
Allerdings erscheint sexuelle Enthaltsamkeit noch wünschenswerter, etwa ders., De bono con-
iugali, ed. Zycha, c. 6, S. 195. Zur Zeugung von Nachkommen als Zweck der Ehe vgl. auch Peters,
Die Ehe, S. 14-30.
48 Diese galt nach Mt 19,10f.; Lk 18,29f. durchaus als gottgewollt. Zum christlichen Keuschheits-
ideal etwa Clark, The celibate bridegroom.
49 Zur Forderung der Treue gar über den Tod hinaus Kötting, Die Beurteilung.
50 Vgl. Weber, Ein Gesetz 1, S. 175-187, Zitat S. 176. Zur Entwicklung des Bußwesens und den
Quellen Wasserschleben, Die Bußordnungen, S. 1-89; Schmitz, Die Bussbücher, S. 11-110, S. 588-
741; in jüngerer Zeit Kottje, Die Bußbücher Halitgars; Payer, Early Medieval Regulations; Kör-
ntgen, Studien; Lutterbach, Die Bußordines; Lutterbach, Sexualität; Meens, The frequency; zur
Verbreitung der Bußbücher im 9. Jh. Hartmann, Kirche, S. 71-78.
51 Zur umstrittenen Ausnahme der porneia nach Mt 19,9 siehe ausführlich unten Anm. 74 und Anm.
75; zum Sonderfall des Inzests Ubl, Inzestverbot.
52 Vgl. Reynolds, Marriage, S. 173-226, hier bes. S. 213 ff.; Weber, Ein Gesetz 1, S. 177-187, sowie hier,
unten.
53 Zur lateinischen Begrifflichkeit, die nicht nur Ehebruch, sondern auch allgemein Unzucht be-
deuten kann vgl. Graf, Der Ehebruch, S. 45-48; Weber, Ein Gesetz 1, S. 26, S. 154-157.