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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0137

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136

B.I. Der Idealtypus? - der Fall,Judith1

von Verstand hätten diesen Zustand als intolerabel erachtet.148 Der Gegensatz
minores/maiores ist in diesem Fall - anders als beim Astronomus - wohl im Sinne
von „die Jungen/die Alten" zu verstehen. Für den Kem von Agobards Botschaft
ist dies letztlich unerheblich: Judiths Unzucht sei allgemein bekannt und öf-
fentlicher Gesprächsstoff gewesen, dies habe die Söhne zum Eingreifen veran-
lasst.
Waren also Gerüchte über Judiths und Bernhards Ehebruch bereits vor der
coniuratio der Großen und dem Eingreifen der Irmingard-Söhne in aller Munde,
wie es Agobard und Radbert darstellen? Oder war es eine Gruppe von geistli-
chen und weltlichen Großen, die das in Compiegne versammelte Heer über den
Ehebruch am Kaiserhof aufklärte bzw. aufhetzte, wie es die ,Annales Bertiniani'
und der Astronomus darstellen? Die unterschiedlichen Versionen erklären sich
jeweils aus der Darstellungsabsicht ihrer Verfasser. So musste den Aufständi-
schen daran gelegen sein, ihr Vorgehen weiter zu legitimieren, während die pro-
kaiserlichen Quellen die Unrechtmäßigkeit der Anschuldigungen betonten und
sie dementsprechend als Erfindung einer kleinen Gruppe darstellten, der es
gelungen sei, mit ihren Reden viele andere auf ihre Seiten zu ziehen.149
d. Der zweite Auf stand von 833
Ähnlich wie Thegans Auflistung der Aufständischen von 830 sich möglicher-
weise aus seiner Kenntnis der 836/837 - im italienischen ,Exil'? - an der Pest
verstorbenen Anhänger Lothars I. speist, ist auch in der Forschung immer wieder
ein Rückgriff auf die späteren Ereignisse der 830er Jahre, vor allem auf die Re-
bellion von 833, versucht worden, um auch die Teilnehmer des ersten Aufstands
genauer fassen zu können. Ebenso sind umgekehrt die bekannten Namen der
Aufständischen von 830 auf Ludwigs Gegner von 833 übertragen worden.150 Als
solche sind insbesondere die Erzbischöfe Agobard von Lyon und Ebbo von
Reims durch ihre führende Rolle in Soissons 833 bezeugt.151 Daneben nennen die
unterschiedlichen Quellen den Erzbischof Bartholomeus von Narbonne, die Bi-
schöfe Bernhard von Vienne, Elias von Troyes, Heribald von Auxerre und Gos-
win von Osnabrück, den Oberjägermeister Burgarit, den Türwart Richard sowie
die bereits von 830 bekannten Hugo, Matfrid, Lambert, Wala und Jesse als An-
hänger Lothars und damit Gegner Ludwigs des Frommen und Judiths.152 Doch

148 Agobard, Liber Apologeticus I, ed. van Acker (wie oben Anm. 1), c. 2, S. 309: Cognouerunt autem
hoc inicio pauci, deinde plures, ad postremum autem multitudo palatii, et regni, acfinium terrae; quam
rem inridebant minores, dolebant maiores, omnes autem clari uiri intolerandum iudicantes.
149 Entsprechend findet „das Volk" in den, Annales Mettenses priores' und bei Thegan erst gar keine
Erwähnung.
150 VgL die Kritik bei Brunner, Oppositionelle Gruppen, S. 109-114.
151 Boshof, Erzbischof Agobard, bes. S. 228-246; McKeon, Archbishop Ebbo, S. 441 und 443; Depreux,
Prosopographie, S. 169-174 (zu Ebbo); Schrör, Aufstieg, hier S. 210.
152 Annales Bertiniani, edd. Grat - Vielliard - Clemencet, a. 834, S. 13; Annales Xantenses, ed. von
Simson, a. 834, S. 9; Thegan, Gesta Hludowici, ed. Tremp, c. 55, S. 250; Astronomus, Vita Hludo-
wici, ed. Tremp, bes. c. 56, S. 512/514 (zitiert oben Anm. 99); Nithard, Historiae, ed. Lauer, I, c. 4,
S. 14/16; c. 5, S. 20; Flodoard, Historia Remensis ecclesiae, ed. Stratmann, II, c. 20, S. 184; vgl. RI21,
 
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