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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 5.1931

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Sörgel, Herman: Das Panropa-Projekt
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https://doi.org/10.11588/diglit.17293#0073

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„Paneuropa" will mein Projekt durch Ausführung technifcher
Werke, durch Schaffung produktiver Werte und Einnahme-
quellen eine weitumfpannende W i rt f ch a f t s u n i o n fchaffen,
um dem indultriell gelättigten Europa die Rohprodukte des noch
jungfräulichen Afrikas in ökonomilcher Weile nutjbar zu machen.
Es handelt (ich alfo nicht um paneuropäilche Schwärmereien, die
nur an die Vernunft und den guten Willen appellieren, fondern
um wirtlchaftstechnifche Rechnungen, um die Haushaltungs-
mafchinen eines zukünftigen Europas, um die technifche Rafiona-
lilierung (eines ganzen Betriebes.

Wir leben politifch noch immer in einem Europa, wie es fich im
Zeitalter des Pferdetransportes konfluiert hat. Darin belteht ein
innerer Widerfpruch zu unferen Automobilen, Flugzeugen und
Turbinen, zu unleren Gefchürjen, Giftgafen und elektrifchen
Kraftübertragungsmitteln. Wird der Widerlpruch nicht gelöft, lo
muh das Abendland untergehen. Schließlich kann doch nur die
Technik jenen Widerfpruch löfen. Es gibt zweierlei Machttriebe,
Befchleunigungsmiltel „Vehikel" im Entwicklungsverlauf der Tech-
nik. Die einen lind (olche, die Spannungen erzeugen, die
zu neuen Frageftellungen und Lebensmöglichkeiten drängen. Das
find z. B. die grohen Entdeckungsfahrten, Erfindungen und auch
Rekordleiftungen (wie z. B. die Weltumfeglung des Zeppelin).
Das andere find folche, die Spannungen löfen, die die Er-
findungen und technifchen Leitungen ausbauen, anwenden,
praktifch auswerten und damit neue wirtfchaftliche und fchliefjlich
politifche Zuftände fchaffen, die den Forderungen der Zeit ge-
recht werden können. Um diefe zweite Machtentfaltung derTechnik
handelt es lieh heute und in Zukunft nicht um Mondraketen
und Weltraumfchiffe! Um diefe zweite Machtentfaltung derTechnik
handelt es (ich auch beim Panropaprojekt. Schließlich — (o muh
der nüchterne und zugleich zukunftgläubige Wirklichkeitsmenfch
kalkulieren —wird doch nur jene Technik Macht in (ich haben,
die am meiften zur Vollendung einer friedlichen, ökonomifchen
und beglückenden neuen Welt vermag und tut.
Das letzte Ziel des Panropaprojektes ift die Vereinigung Europas
mit Afrika zu einem mächtigen Weltteil zwifchen Panamerika und
Panafien, zwifchen dem zweifellos (ich einigenden Nord-, Mittel-,
Südamerika einerleits und der gelben Gefahr eines raKefeind-
lichen Indiens, Chinas und Japans andrerteits. (Indien verfelbftän-
digt (ich; ein verfelbftändigtes Indien wird den Anfchluh an China
und Japan finden). Eine Verfchweihung und Länderbrücke zwilchen
Europa und Afrika durch teilweile Bewä((erung der Sahara (chaffen
heiht nichts anderes, wie das begehende Kraftlinienfeld am Mittel-
meer durchkreuzen und es durch ein höheres, umfaffenderes, an
dem alle Kulturvölker Europas beteiligt fein können, erferjen. Es
heifjt nichts anderes wie: Europa an Kraft und Ausdehnung ver-
vielfachen, lo dah es aus dem Stadium kleinlicher Parteipolitik
herausgezwungen zu einem einheitlichen Machtfaktor zwifchen
Amerika und Alien wird. Es heifjt nichts anderes wie: Europa, das

heute wie eine offene Wunde ilt, vor der fortfehreitenden Zer-
(eßung im Innern und deshalb auch vor der drohenden äuheren
Vernichtung zwifchen und durch Amerika-Afien retten.

Nachwort der Schriftleitung. Wir haben Herman Sörgel für
diefe Darfteilung leines weitausgreifenden, kühnen Projektes, das
z. Z. in Elfen ausgeltellt ilt, gerne das Wort erteilt. Allein es fchiene
uns unrichtig, den Haupteinwand, der hier gemacht werden muh,
zu verlchweigen: dah dem wichtiglten Gedanken Sörgels, der Ge-
winnung neuen Kulturlandes, ganz einfach die wirtfehaffliehe und
foziologifche Notwendigkeit fehlt. Wozu neues Kulturland fchaf-
fen, wo das vorhandene (chon beinahe zu groh ift? Die Sozio-
logie fpricht längff in Europa von einem Landüberfluh, hervor-
gerufen durch die Technifierung der Landwirtfchaft. „Das Brot
wächft heute fchneller als der Menfch" (Hirfch). Und alles deutet
darauf hin, dah die Zahl der Menlchen durchaus nicht weiter an-
wachsen wird. Die Welle der Kolonifation fremder Erdteile ift
längft verebbt, die Auswanderung von Europa nach Amerika z. B.
auf ein Zehntel des Vorkriegsftandes gefunken, und wenn auch
zweifellos die Ausführung des Panropa-Projektes vorübergehend
viele arbeitslofe Kräfte befchäftigen könnte, fo wäre das Refultat,
neue Güterproduktion auf neuer Erde, nur umfo fchlimmer. Gtr.

NEUER RUSSISCHER STÄDTEBAU.

Modellaufnahme der neuen Stadt Ofa • Model view of the new town
of Osa • Vue de maquette de la nouvelle ville d'Osa

Der Staatsverlag der U.d. S. S. R. hat ein bemerkenswertes Buch
von N.A. Miljutin, „Das Problem der Konttruktion fozia-
liltifcher Städte", herausgegeben. Miljutin ift Prälident der
„Staatlichen Studienkommiffion für den Bau neuer Städte", und
als folcher gibt er in dem Buche viele interelfante Ratlchläge und
praktifche Hinweife, welche auf den tatfächlichen Verhältnilfen der
ruffifchen Wirtfchaft und auf den Erfahrungen der modernen Tech-
nik und des Städtebaus beruhen.

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