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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Mahn, Hannshubert: Ein "Heilig Grab" von 1300
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Ernst-Weis, Josef: Der Meister der Rufacher Beweinung
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0145

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Josef Ernst-Weis / Der Meister der Rufacher Beweinung
Marien an. Freilich jüngere. Überlegen nach außen, weil nach innen beschränkt. Man kämpft nicht mehr,
man spielt wieder. Modisch-virtuoser Manierismus statt naiv-irrationaler Chaotik.
M. E. ist die Gruppe zu Ems etwa im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstanden, möglicherweise
nach einem rühmenswerteren Vorbild. Jedenfalls bietet sie ein lehrreiches Beispiel für „Barock um 1300" und
einen neuartigen — vorläufig auch den ältesten! — Beleg für „Heilig Grab mit Leichnam".
Exkurs.
Andere frühe Gruppen (sämtlich nur bruchstückweise erhalten):
a) Straßburg-Müllenheimkapelle, jetzt Museumsmagazin: Fragmente von 5 Figuren; Christi Kopf mit Nimbus auf Kissen, in
Brust Hostienhöhle; Stein, überlebensgroß ; 1327 ? — K. Friederich, „Skulpturreste von der Straßburger Müllen-
heimkapelle" in Anzeiger für elsässische Altertumskunde, IV (1912), S. 278 mit Taf. XXXIX (Zeichnungen!). — O. Schmitt,
Gotische Skulpturen des Freiburger Münsters (1926), S. 57. Anm. 4 wies auf die Stücke hin, zweifelte jedoch an ihrem
Alter. — R. Forrer, dem ich für gütige Beantwortung meiner Fragen hier nochmals bestens danke, hält die Reste ebenfalls
für jünger (15.Jahrhundert). — Trotzdem mir Autopsie und Photographien fehlen, wage ich die Möglichkeit anzudeuten,
daß die Gruppe noch dem 13. Jahrhundert entstammen könne. Wahrscheinlicher allerdings bleibt Entstehung im 15. Jahr-
hundert. Neue gründliche Untersuchung erwünscht.
b) Straßburg-Katharinenkapelle, jetzt Frauenhaus: Stein, lebensgroß; zwischen 1328 und 1353 (bzw. 1331 und 1349).
O. Schmitt, Gotische Skulpturen des Straßburger Münsters (1924), S. 26 f. und XXIV, mit Abb. 38 und Taf. 199—203.
R. Hamann und H. Weigert, Das Straßburger Münster (1928), S. 99 ff.
c) Basel-St. Leonhard, jetzt Historisches Museum: Stein, unterlebensgroß; vor 1346? J. Futterer, „Zur Plastik des 14. Jahr-
hunderts in der Schweiz" in Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, N. F. 28 (1926), S. 170 ff., mit Taf. X, 2.
Die vereinzelten „Magdalenen" von Adelhausen, jetzt Freiburg — Museum [Holz, 1,40 m; 1260er Jahre, O Schmitt,
Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittelalter (1924), Erläuterungen S. 1 („um 1300"), mit Taf. 1 und 2, zeitlicher
m. E. richtiger angesetzt bei Futterer a. a. O., S. 175] und Halberstadt-Dom [Stein, 1,32 m; 1360er Jahre, H. Kunze, Die
Plastik des 14. Jahrhunderts in Sachsen und Thüringen (1925), S. 20 ff, 54 und 78, mit Abb. 94 und 95] brauchen obigem
Thema nicht anzugehören. Ebensowenig die „Fron-Leichname" (Grabchristi). Nach H. Beenken, Bildhauer des 14. Jahr-
hunderts am Rhein und in Schwaben (1927), S. 176, mit Abb. 97 und 99 (Mödingen; „um 1300", m. E. später) hat kürzlich
J. Futterer, Gotische Bildwerke der deutschen Schweiz (1930), S. 80 ff., 158 und 177 f., mit Abb. 103—Hl mehrere ver-
öffentlicht; eines weiteren erinnere ich mich aus Vaduz (Empore der Schloßkapelle).

Der Meister der Rufacher Beweinung
Von Josef Ernst-Weis
Der stattliche Bau der Rufacher Franziskanerkirche befindet sich heute in bedauernswerter Verwahr-
losung. Abgelegen vom Mittelpunkte der Stadt bezeugen ehemals reiche Besitzungen rund um die Kirche,
daß im ausgehenden Mittelalter Wohlhabenheit und gepflegter Reichtum in diesem Viertel der Stadt heimisch
waren. Die anliegenden Gassen ersticken heute in kläglicher Dürftigkeit und der kümmerliche Abglanz des
Einstigen bewahrt hier dem zu bitterer Armut herabgesunkenen Quartier einen sozusagen romantischen
Schimmer. Die Kirche selbst macht kaum einen besseren Eindruck, wenn er auch nicht so entmutigend ist
wie der etwa, den heute die Dompeter-Kirche bietet, in der ausgeplünderte Reliquienmonstranzen, Bildwerke
des 14. Jahrhunderts und Altargerät in wüstem Durcheinander langsam unter der Staubdecke einer gütigen
Verlassenheit, unter dem herabbröckelnden Weißverputz der Decke begraben werden. Immerhin auch in
Rufach beginnt der Deckenverputz der Franziskanerkirche in großen Stücken auf Bänke und Fliesen herabzu-
stürzen. Da und dort läßt sich ein einsames Zeugnis noch lebendiger Devotion vernehmen; ein paar schauer-
liche aus Brot geknetete Blumen oder ein ärmlicher himmelblauer Mantel, der ein Vesperbild des 14. Jahr-
hunderts umkleidet.

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