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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0077

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Pyramidentexten enthaltend
7-/6. Jhdt. Königswahlstele des Aspelta (Grimal 1981b: 21-35 und Tf. 5-7; Eide et al. 1994: 282-252)
7-/6. Jhdt. Adoptionsstele des Aspelta (SchXfer 1905/08,101-108; Eide et al. 1994: 259-268)
7-/6. Jhdt. Exkommunikationsstele, vielleicht des Aspelta (Grimal 1981b: 36-39 un8 Tf. 8f.; Eide et al. 1994: 252-
258)
7-/6. Jhdt. Grabstele des Aspelta (Dunham 1955: 266, Taf. 67; Leprohon 1991: 118-122). Stelen mit einem nahezu
identischen Text liegen auch von Amaniastabarqa und Siaspiqa aus dem 6-/5. Jhdt. vor (Dunham 1955,
267E, Taf. 68f. und Leprohon 1991: 119).
7-/6. Jhdt. Khaliut-Stele (Reisner 1984; Eide et al. 1994: 268-279)
5. Jhdt. Opferstele des Talachamani (Dunham 1955: 210, Taf. 69b und 55b)
5. Jhdt. Große Inschrift des Irike-Amanote aus Kawa (Macadam 1949: 50-67 und Taf. 17-26; Eide et al. 1996:
400-428)

6.1.2 Das Napatanische als ägyptischer Dialekt
In der anschließenden Zeit tritt das den Hauptgegenstand dieser Arbeit bildende Napatanische als ein für
diese Region spezifischer ägyptischer Dialekt in Erscheinung. Die Hauptzeugen des Napatanischen sind folgende drei
Texte:
5-/4. Jhdt. Stele des Harsijotef
4. Jhdt. Stele des Nastasen
4./3.(?) Jhdt. Stele des Ari
Sprachliche Variation kann sich auf unterschiedlichen Ebenen manifestieren: Es gibt diachrone Variation (verschie-
dene historische Stadien einer Sprache), diastratische Variation (Varianten einer Sprache mit unterschiedlichem
Prestige) und diatopische Variation (lokal oder regional verschiedene Ausprägungen einer Sprache); Variationen des
letzteren Typs werden gemeinhin als D i a 1 e k t e bezeichnet. Was das Ägyptische angeht, so besteht eine etwas
kuriose Situation: Im vorkoptischen Ägyptisch sind diachrone und diastratische Variation bestens bekannt (die, wie in
vielen Sprachen, in einem gewissen Zusammenhang miteinander stehen, indem ältere Sprachformen tendenziell als
normhierarchisch höher gelten, siehe Junge 1984b: Tabelle 2), doch Fälle von diatopischer Variation konnten bisher
nicht sicher nachgewiesen werden;^1 für das Koptische hingegen ist gerade das Umgekehrte der Fall: Hier sind
zahlreiche Dialekte bekannt, jedoch weiß man kaum etwas über diachrone oder diastratische Variation (zu den kopti-
schen Dialekten und zur Frage der Erkennbarkeit von Dialekten generell vgl. Peust 1999a: § 2.3). Das Napatanische
stellt den ersten eindeutigen Beleg für einen ägyptischen Dialekt aus vorkoptischer Zeit dar. Die sprachlichen Abwei-
chungen sind groß genug, dass sie nicht als rein graphisch abgetan werden können. Auch die regionale Begrenztheit
dieser Sprachform ist offensichtlich. Somit trägt die Entdeckung des Napatanischen dazu bei, der ägyptischen Sprache
eine diatopische Dimension zu verschaffen und unser Bild vom Ägyptischen zu normalisieren.
Profane napatanische Texte, etwa wirtschaftlicher oder administrativer Art, sind bisher nicht entdeckt worden. Man
könnte daher den extremen Standpunkt einnehmen, dass diese Sprachform nur als Vehikel für wenige Königsinschrif-
ten nach Art der bekannten Zeugnisse diente und nie in größerem Umfang, geschweige denn als gesprochene Spra-
che, Verwendung fand. Es spricht aber doch einiges dafür, dass das Napatanische eine größere Bedeutung hatte, als
es auf den ersten Blick scheint. Zunächst deutet die hohe Zahl an hieratisch-demotisch beeinflussten Zeichen (0$”
§ 11) darauf hin, dass auch schriftliche Alltagskommunikation auf Napatanisch abgewickelt wurde. Es ist wohl damit
zu rechnen, dass derartige Texte bei Siedlungsgrabungen eines Tages auftauchen werden. Der Sprachcharakter des
Napatanischen lässt sich keineswegs als unvollkommener Versuch verstehen, die ägyptische Denkmälersprache zu
kopieren. Vielmehr handelt es sich um eine Form eines späten, “demotischen” Ägyptisch, die eine sichtliche sprach-
liche Eigenentwicklung durchgemacht hat, nicht immer mit der Folge einer strukturellen Vereinfachung. Die Nubier
hätten sich auch dafür entscheiden können, sich zum Zwecke der Abfassung von Königsinschriften das Neomittelägyp-
tische anzueignen, zumal ihnen zahlreiche Texte in dieser Sprachform in den Tempeln der älteren Epochen vor Augen
standen. In der Tat wurde das Neomittelägyptische im späten Nubien auch noch verwendet, jedoch für Abschriften
überlieferten Textguts und nicht mehr als produktive Sprachform (B®’ § 6.1.3). Dass man vielmehr eine dem Demo-
tischen verwandte Sprache benutzte, zeigt, dass das Abfassen monumentaler Inschriften nicht der einzige Verwen-
dungszweck des Ägyptischen in Nubien war. Es ist anzunehmen, dass man auf Napatanisch-Ägyptisch auch einen

51 Vorkoptische Dialekte sind zwar verschiedentlich postuliert worden, doch mangelte es dabei stets am Nachweis
des regionalen Charakters der betreffenden sprachlichen Variation, siehe hierzu Peust (1999a: § 2.3).
 
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