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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Lücke, Hans: Blüchers Rheinübergang bei Caub: Panorama von H. Ungewitter und G. Wendling
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0039

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Beobachtung von Lichtwirkungen und die un-
theatralische, naturalistische Auffassung in Sachen
auch der heutigen „Historien-“, besonders der
Soldaten- und Kriegs-Malerei.
Diesen Voraussetzungen moderner Land-
schafts- und Historienmalerei wird neuerdings
in sehr interessanter Weise ein Panorama
gerecht, welches zudem auch als Gegenstand
uns Rheinländer wohl stark anzuziehen im
stände ist.
Es ist dies „Blüchers Übergang über
den Rhein bei Caub, Neujahr 1814“, welches
Ereignis die Maler Gustav Wendling und
Hugo Ungewitter in ihrem für die Ausstellung
1902 zu Düsseldorf bestimmten Rundgemälde
zur Darstellung bringen.
Es sind sehr verschiedene Künstlercharaktere,
die sich da zu gemeinsamer Arbeit gefunden
haben.
Gustav Wendling aus Helmstedt, ein
Schüler Eugen Dückers, ist den Kennern durch
seine feinabgetönte Marinen vom Hamburger
Hafen, aus Ostfriesland, von der Emdener Küste
und aus Holland wohl vertraut; auch seine
Interieurs haben neuerdings Aufmerksamkeit
erregt („Rheinlande“, Februarheft 1901); jeden-
falls ist es reizvoll zu sehen, wie die grofse
Kunst dieses vortrefflichen Malers in Wiedergabe
gebrochenen und gedämpften Lichtes ihre An-
wendung findet auf die winterliche Rheinland-
schaft in der Stimmung eines dämmerigen
Morgens.
Noch besonders kommt dem Künstler bei
diesem Unternehmen zu gute, dafs er in der
Panorama-Malerei kein Neuling ist. Die berühm-
ten Rundgemälde der Schlachten von „Atlanta“
und von „Chattanooga“ (Erstürmung des Lookout
Mountain) entstammen als Landschaft zum grofsen
Teile seinem Pinsel, und ist ja gerade diese
seiner Zeit ihrer Modernität wegen sehr bekannt
geworden, setzte sie doch vor die erstaunten
Augen der Amerikaner blaue Schatten statt der
altgewohnten braunen.
Peter Janssens Schüler Hugo Ungewitter
aus Waldeck, dessen besonderer Freude am
Pferde in der Bewegung schon manche vor-
zügliche Arbeit zu verdanken ist, wie die seiner
Zeit bedeutendes Aufsehen erregende „Halber-
städter Kürassiere bei Mars-la-Tour“ und Anderes
(„Rheinlande“, Juliheft 1901), fand an diesem
Panorama einmal so recht Gelegenheit, seine
leidenschaftliche Vorliebe für starkbewegtes
buntes Leben und eine nicht gewöhnliche
Schaffenskraft zu bethätigen. Auffallen wird
bei dieser Arbeit besonders die Kunst, ganz
ohne Schlagschatten und Schlaglichter plastische
Wirkung zu erzielen, aber mehr wohl noch die
moderne Auffassung der Bewegung des Pferdes,
wie sie — es sei dies stark betont — nicht
aus Studium photographischer Momentaufnahmen
hervorgeht, sondern die Errungenschaft eines

stark zusehenden und zupackenden Anschauungs-
vermögens ist.
Nicht allein durch sein Schaffensgebiet ergänzt
sich dies noch junge Künstlerpaar — schon als
Temperamente verkörpern dieselben die beiden
zum guten Gelingen eines solchen Werkes
nötigen entgegengesetzten Prinzipien.
Bringt der Landschafter Wendling ein reiches
Mafs von Ruhe, Besonnenheit und Übersicht
mit, was ihn von Freundesseite oft die Neckerei
hören läfst, „er gucke seine Bilder fertig“, so
besitzt sein Kamerad den feurigen Drang fort-
gesetzter Bethätigung, welchem allerdings eine
von Sport aller Art gestählte körperliche Leistungs-
fähigkeit zur Seite steht; denn es ist in der
That eine nicht geringe Arbeit, welche die
Maler da vor sich haben, und der grofse Ernst,
die eingehende Gewissenhaftigkeit derselben hat
auf sie nur vergröfsernd gewirkt.
Man braucht nur zu bedenken, dafs, ganz
abgesehen von Hunderten von grofsen und kleinen
Studien, dies Bild mindestens viermal gezeichnet
und gemalt wurde. Da liegt die grofse Rolle
der ersten Kohlenskizze vor, wie sie schon 1898
in der ersten Sitzung des Ausstellungsausschusses
vorgelegt wurde, des weiteren das Rundbild
selbst, gleichfalls in Kohle, als kleines Modell
mit peinlicher Genauigkeit ausgeführt. Hiernach
übertrug ein Skioptikon die Zeichnung stückweise,
im richtigen Mafsstabe vergröfsert, auf die mit
Quadrierung versehene Leinwand, und wurde
das Scheinbild mit Kohle nachgezeichnet. Der
eigentlichen Ausmalung diente ein zweites,
ebenso sorgfältig in Farben durchgeführtes Modell
zur Grundlage; der Beginn dieser letzteren Arbeit
fiel erst auf Juni 1901 — und soll sie mehr als eine
mechanische bezeichnet werden können. Von
Kollegen liefsen sich die Künstler zudem nur
bei den Vorarbeiten und dies in nicht ausge-
dehntem Mafse unterstützen.
Überhaupt dürfte es für den Laien von
Interesse sein, einmal in die eigentümliche
Werkstatt eines solchen Unternehmens zu
schauen, gerade da es sich im Stadium der
Unfertigkeit befindet.
Der erste Eindruck ist auf jeden Fall der
des Riesenmäfsigen und der des Seltsamen, sowie
man das Panorama-Gebäude betritt. Noch kann
man zu Füfsen der 15 Meter hohen, 125 Meter
breiten Malfläche, wo sich später der Aufbau
erheben wird, zu ebener Erde spazieren gehen.
Diese aus 8 Meter breiten Stücken ohne
sichtbare Naht zusammengesetzte Leinwand
wurde mit einer offenen Naht nach Erweiterung
des Eingangs in das Gebäude gebracht, aufge-
rollt, an einem Ringe befestigt, zu Ende genäht,
durch Nässe geglättet und bietet nun eine falten-
lose Fläche dar. Grofse Schnelligkeit, wenn
nicht Geistesgegenwart erfordert die Grundierung,
an welcher nicht weniger als fünfundzwanzig
Arbeiter zugleich beschäftigt waren.

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