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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schäfer, Wilhelm: Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0060

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Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Darmstädter
Künstler-Kolonie. *

Unter diesem Titel hat der Verlag Alexander
Koch in Darmstadt die Ausstellungshefte seiner
„Deutschen Kunst und Dekoration“ zu einem
Prachtwerk vereinigt, das nun gleichzeitig mit
den sonderbaren Gerüchten aus der Künstler-
Kolonie im Buchhandel erscheint und Anlafs
zu einem lehrreichen Rückblick giebt.
Darmstadt bestätigt die Erfahrung, wie macht-
los selbst Könige und Fürsten sind, wo es sich
um Kulturdinge handelt. Wenn Friedrich der
Grofse sich als den ersten Diener seines Staates
betrachtete, so lag hinter dieser für einen ab-
soluten König unsympathischen Erkenntnis eine
Weisheit, die sich der Grenzen ihrer Macht
bewufst war. Ein genialer Feldherr vermag ein
Heer in seine Hand zu bekommen durch den
Rausch der bewegten Thaten. Aber Kulturdinge
wollen wachsen. Und all die tausend Herzen,
die mit ihnen wachsen müssen, lassen sich wohl
für Minuten und auch für Tage mitreifsen, aber
nicht für die stillen Stunden ihre Wünsche und
Hoffnungen verordnen. Da ist jedes Herz mit
seiner Liebe und seinen Neigungen sein eigener
König. Nur, wer sich hier der Herzenssumme:
dem Volke beugt, vermag zu herrschen. So ist
Herrschen nicht Laune, sondern Erfüllung. Als
der Preufsenkönig Wilhelm sich in Versailles
zum Herrscher aller Deutschen machte, war er
der Diener von Millionen.
Das tragische Gegenbeispiel ist Kaiser Josef II.,
der selbst Staat sein und so sein Volk beglücken
wollte und durch den Widerstand seines Volkes
zu Grunde ging, trotz aller Liebe. Ernst Ludwig
wird an dem „historischen Sinn“ seiner Hessen
nicht sterben, aber die selbe Erfahrung ist es
doch. Was hatten die Bewohner der stillen
Residenz Darmstadt mit der modernen Kunst
zu thun, ehe der Kunstsinn ihres Fürsten die
Künstler-Kolonie dahin berief? Er fand die
überfrohe Zustimmung aller modernen Geister
im Reich, und die Geschichte der deutschen
Kunst wird es verzeichnen, dafs er durch sein
Eintreten das moderne Kunstgewerbe zur An-
erkennung brachte. Vielleicht hat er anfänglich
garnicht mehr gewollt. Aber die Geister, die
er sich berief, kamen aus Kulturzentren, in denen
mehr als die sinngemäfse Ausstattung eines

* Das Werk enthält über 400 Abbildungen, meist Voll-
bilder, ist in blauem Tuch gebunden, auf dem der Titel und
die Ausstellungsmedaille von Bosselt goldig eingeprägt
sind. Es enthält sämtliche Gebäude der Künstlerkolonie und
mit Ausnahme des Olbrichhauses sämtliche Interieurs. Als
einzige ziemlich vollständige Publikation der eigentümlichen
Ausstellung besitzt es einen dauernden Wert. Jede spätere
Betrachtung des modernen deutschen Kunstgewerbes wird
auf die Darmstädter Künstlerkolonie, also auch auf dieses
Werk zurückgehen müssen. Der Preis ist 36 Mark.
Die Redaktion.

Wohnraums in der Luft liegt. Auch über-
schätzten sie wohl ebenfalls die Macht eines
fürstlichen Armes und so dachten sie und die
Hoffenden im Reich eine Zeitlang an eine Er-
lösung aus unserer Mifskultur. Daher das „Doku-
ment deutscher Kunst“, womit eben durchaus
nicht fesche Häuser und brauchbare Sitzmöbel
gemeint waren. Solange die rastlose Arbeit jede
Minute forderte, gewahrten die Künstler nicht,
dafs sie in der Luft hingen — wie eine Ampel,
nur an einer dünnen Kette von oben gehalten. Die
Darmstädter Bürger waren wohl ein wenig geehrt,
dafs ihr Ort jetzt so oft in den Zeitungen stand,
aber im Vertrauen gesagt waren diese her —•

E. Hünten Studie,


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