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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Berliner Brief: (Politik und Kunst)$Rudolf Klein
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Schäfer, Wilhelm: Moderner Stil: Glossen zur Düsseldorfer Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0238

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sollte das Verhältnis zwischen Kaiser und
Künstler nicht trüben. Das Volk will zum
Thron aufsehen. Verständnis zwischen Thron
und Volk mufs herrschen und der Weg dahin
eine Skala der gleichen Empfindungsleiter un-

serer Volksart sein. Nur so zeitigen wir die
Kultur, von der wir heute so viel reden, ohne
sie zu besitzen, wie der Kranke von der Ge-
sundheit redet, die er nicht besitzt, und der
Arme vom Reichtum. Rudolf Klein.

Alexander Bertrand: Klosterfrieden.


Moderner Stil.
Glossen zur Düsseldorfer Ausstellung.

Von den grofsen Eisenbauten haben wir
die ersten Erfüllungen eines modernen Stils
geerntet. Das wird in Düsseldorf zwar mehr
durch die beiden Bogen der Rheinbrücke, die
man von allen Stellen der Ausstellung aus in
ihrer leichten Selbstverständlichkeit sehen kann,
als durch irgend einen der Ausstellungsbauten
bewiesen. Die verstecken ihre Eisenkonstruktion
zumeist unter allerhand Stein-Imitationen, und
die eine Ausnahme (Gutehoffnungshütte) ist
durch ihre schnurrigen Türmchen unerfreulich.
Aber wer gerade in dieses Haus mit ästhetischen
Erwartungen eintritt, wird die überraschende
Entdeckung machen, dafs die moderne Maschinen-
fabrikation längst schon jene Übereinstimmung
zwischen Zweck, Materie und Form erreicht
hat, aus der allein das entstehen kann, was wir
Stil nennen. Und weil niemals etwas Derartiges
war in innerem Wuchs und äufserer Form, so
haben wir hier, was wir mit Sehnsucht suchen:
den modernen Stil.
Die grofse Fördermaschine, die dort ihre
mächtigen Gelenke und Räder lautlos bewegt,
ist, ohne irgendwie künstlerisch gewollt zu sein,

dennoch künstlerisch vollendet. Oder gerade
deshalb: eben weil nichts daran geschmückt,
nichts nach Künstlerlaune, nach empirischen
Schönheitsgesetzen gestaltet, sondern alles zu
seinem besonderen Zweck so organisch aus-
gewachsen ist wie in einem Geschöpf der Natur,
hat das Wechselspiel ihrer Formen, der Reflex
des Lichtes auf den runden Eisenmassen jenen
Rhythmus, den wir wohlgefällig und also schön
empfinden.
Als Gegenstück dieses modernen Wunder-
werks steht in der Waggonhalle ein grauweifs
lackierter Motorwagen, grünlich mit bandwurm-
geringelten Pflanzenstengeln übermalt. Hier
hat man nach alter Gewohnheit geschmückt
statt die Schönheit von selbst aus der Kon-
struktion werden zu lassen. Ein Beispiel jenes
so dumm bezeichneten „Jugendstils“, der das
erste Mifsverständnis der modernen Stilbewegung
und hoffentlich der letzte Rückfall in den Grund-
fehler aller früheren Stillosigkeit ist, wo man
glaubte, die Dinge schmücken zu können, anstatt
sie aus sich schön zu machen.
Das selbe ästhetische Vergnügen wie in der

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