Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

DOI Artikel:
Redaktion: Am Ende: Skizze von Peter Hille
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0254

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Am Ende. *
Skizze von Peter Hille.
Piet Retief:
Du unser Väter Land.
Nun liegst du wieder da, dicht vor unsern
Händen, die sich nach dir sehnen, um unser
Glück und Leben, wie es einst gewesen, frei zu
machen, das in dir ist.
Uns graust vor dir.
Was liegt in dir?
Unsere Besten.
Unter den schmerzlichen Trümmern unserer
Heimat.
Und die vermaledeiten — Gott verzeihe ihnen
und halte uns — wir kennen uns selbst nicht
mehr, wenn ein Engländer uns in die Quere
kommt.
So schlecht sind wir geworden.
Mufsten wir werden durch sie, durch die
englischen Teufel.
Ja Land, da bist du wieder!
Wie liegst du vor uns!
* Ohne besondere Vorliebe für ein „politisch Lied“, nur
um ihrer eigenartigen poetischen Vorzüge willen, begleiten
wir das Ende des Burenkrieges mit dieser vor einem halben
Jahr geschriebenen lyrischen Szene. Auf ihren Dichter,
einen der seltsamsten in Deutschland, gedenken wir noch
besonders einzugehen. D. Red.

Kein Blutfleck von Engländern mehr auf dir.
Heil bist du wieder.
Aber als Kirchhof.
Leer.
Und nun sollen wir wieder anfangen auf dir.
So vieles liegt dazwischen.
So Ungeheures.
Ist je einem Volke — ist wirklich ein Gott
im Himmel, aus dem Gerechtigkeit fällt?
Selber müssen wir uns suchen, so fremd
sind wir uns geworden, so feind und fremd.
Wir hassen uns, weil wir uns nicht mehr
bedauern können.
Wie man die hafst, die zu viel gelitten haben.
Gift sind wir.
Giftig.
Gefährliche Schlangenseelen.
(Heult auf wie ein wildes Tier, dann leise, unterdrückt.)
Fluch denen, die uns dazu gemacht haben!
Ja, und wir wollen ausroden?
Zähmen diesen verwilderten Boden?
Und sind selbst so wild darauf — geworden!
Wir haben keine Schuld!
O du Himmel, du blauer Himmel, so sei du
unsere Heimat!
Du bist rein, rein von uns und andern.
Wenn wir dich graben könnten!
Dafs uns nichts Entsetzliches entgegenwächst,
wo wir den Spaten ansetzen!
Und uns wild macht, uns nährt mit rasen-
den Früchten, dem zersetzten Fluch da-
drinnen.
Den weckt unser Pflug.
Er getraut sich nicht.
Er fürchtet da unten Gespenster.
Hä — ä — ä, du himmlischer Vater!
Verrückt müssen wir dir vorkommen.
(Singt, nicht spöttisch.)
„Wir treten zum Beten vor Gott den Ge-
rechten.“
Wenn es doch noch ginge — das Beten,
wenn es nicht zu rostig geworden!
Da könnte ja langsam alles wieder heil
werden, zuwachsen, — ganz, ganz sacht.
Wenn wir dahin sind.
Ja, wir müssen erst fort sein.
Erst mufs das Scheusal, das wir gelebt
sind, erst mufs der Greuel tot sein, erst
müssen wir Geschichte sein, dann können
sich unsere Kinder wieder regen.
Aber das wollen wir, arbeiten, stark ar-
beiten, dafs sie nicht mehr erinnert werden,
dafs sie ertragen können, wieder hier zu
sein und uns ehren, die wir vernichtet
worden um sie.
So wollen wir Bestien denn in Gottes
Namen von vorn wieder anfangen, keine
Bestien mehr zu sein. Wir wollen wieder
glücklich werden, uns selber doch was nahe
kommen.


Henrik Nordenberg: Interieur aus Flandern.

Ö2
 
Annotationen