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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Pelser-Berensberg, Franz von: Weinsheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0137

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Weinsheim.

ieb dir keine Mühe, lieber Leser, fest-
zustellen, wo Weinsheim liegt, selbst
der „Grofse Andree“ läfst im Stich!
Aus dem vortrefflichen Eifelführer hörst
du nur, dafs bei Weinsheim die Nims
entspringt. Mehr weifs schon die Eiflia illustrata
zu erzählen. Im dritten Bande Seite 368 heifst
es, dafs die altberühmte Meierei Weinsheim,
das „Wimesheim“ des Cäsarius, das „Winzern“
in alten Handschriften, bereits in einer Urkunde
des Trierer Erzbischofs Balduin vom Jahre 1343
als begehrenswertes Lehen aufgeführt sei, zum
Amte Schönecken gehört habe, und später Sitz
des adeligen Geschlechtes Hasselborn gewesen
sei. Darnach mufs man im damaligen Weins-
heim, wenn auch kein Wein dort wuchs, nicht
verdurstet sein! Auch den Reichtum an sonder-


baren Versteinerungen, Aulopara serpens und
Luomphalus, rühmt die Eiflia illustrata.
Trotzdem ist Weinsheim gar winzig und
unscheinbar — wenn du willst, ein Nest: ganze
247 Landbewohner bergen seine Strohdächer,
welche der kleine Kirchturm des hl. Willibrod

seit 1706 unbeschränkt überragt. — Allenfalls
könnte die Höhe des Dorfes imponieren : 561
Meter über dem Meere ? „Aber wo liegt es“,
fragst du ungeduldig ? — Fährst du mit der
Klingelbahn von Gerolstein in der Richtung
auf St. Vith, so umzieht der Schienenweg kurz
vor Prüm in Linkswendung ein steil abfallendes,
kahles Plateau — auf ihm liegt Weinsheim —
also „dick“ in der Eifel! Um dir nun zu zeigen,
lieber Leser, wie ich zu der sonderbaren Wahl
dieses Eifeldorfes kam, möchte ich es so machen,
wie der Schienenweg vorhin, und vorerst einen
grofsen Bogen um Weinsheim schlagen, ehe
ich dich zu ihm hinaufführe.
Am 10. April vorigen Jahres, dem Tage der
Jahrhundertfeier des ältesten wissenschaftlichen
Vereins der Rheinprovinz, der „Gesellschaft für
nützliche Forschungen in Trier“, wurde im
Roten Hause eine neue und eigenartige Aus-
stellung eröffnet: eine Sammlung alter
Trachten und Hausgeräte der Saar-
und Moselbevölkerung. Neu war die
Schaustellung zufolge der in der Bevölkerung
fast gänzlich geschwundenen Erinnerung an
heimatliche Sitten und Gewohnheiten, eigenartig
durch bewufste Beschränkung auf schlichte,
deftige Bauernware. Keine Prunkstücke mittel-
alterlicher Gewänder, keine kunstvoll eingelegten
oder geschnitzten Möbel, kein schwerer Schmuck
aus Edelmetall und echtem Gestein schmeichelte
dem Auge des Beschauers, sondern man hatte
sich mit Absicht beschränkt auf altehrwürdige
Erinnerungsstücke der Grofs- und Urgrofseltern
unserer Landbewohner, Sachen, welche heute
als veraltet in Truhe und Speicher vermodern,
und meist ohne Entgelt, manchmal sogar mit

mitleidigem Lächeln von den Bauern hergegeben
wurden.
Dank dem Entgegenkommen der Bevölkerung
und machtvoller Unterstützung der staatlichen
und kirchlichen Behörden kamen in vier Winter-
monaten 700 Gegenstände zusammen, welche
sich während der Ausstellung noch um fernere
300 vermehrten. Sie füllten in der Steipe des
Roten Hauses: ein Trachtenzimmer, eine Bauern-
stube und eine Webkammer bis unter die Decke.
7000 Besucher und ununterbrochen einlaufende
Geschenke bewiesen das Interesse der Alt-Trierer
für die wunderliche Schaustellung — zauberte
sie ihnen doch ein farbenreiches, behagliches
Bild ihrer kurfürstlichen Zeit vor die Augen. —
Die Ausstellung sprach zum Herzen des Volkes,
dessen Opfersinn sie geschaffen hatte. — Zufolge
dieser Erkenntnis sah sich die Schulabteilung der
Regierung zu Trier veranlafst, die auf Geheifs
ihres Präsidenten, Herrn Dr. zur Nedden, vom
Unterzeichneten verfafste Beschreibung der alten
heimischen Volksbräuche* den Gemeinden zur
Anschaffung für die Schulen warm zu empfehlen.
Auf Anregung befreundeter Malerkreise ist
übrigens, wie bei dieser Gelegenheit erwähnt
sei, auf der Düsseldorfer Ausstellung, und zwar
im Oberstock des Trierer Hauses, wiederum
eine Auswahl unserer Sammlung in drei Räumen
zur Schau gebracht.
Jene Regierungsmafsnahme hatte den Vor-
teil, namentlich die Volksschullehrer erneut zur
Mitarbeit anzuspornen. Und wirklich gingen
bald darauf vielverheifsende Berichte über neue
Erwerbungen ein, so unter anderem aus Münster-
maifeld, Leiwen, Treis, Moselweis, Gondelsheim,
vor allem aber aus dessen Nachbarort: — unserem
Weinsheim. Weit über hundert zum Teil
wertvoller Stücke gaben die opferwilligen Weins-
heimer gerne her, ja, sie lehnten geradezu jedes
Entgelt mit der Begründung ab, dafs sie mit
Rücksicht auf den guten Zweck nur unter
dieser Bedingung sich von den Andenken
trennen würden ! — Hier haben wir unverfälscht
den deutschen, geraden, selbstbewufsten Sinn
der zum Teil armen Dörfler vor Augen.
Es war gegen Ende vorigen Jahres, als der
Volksschullehrer aus Weinsheim meldete, das
reiche Ergebnis seines Sammeleifers sei in
seiner Wohnung im Schulhause wohlgeordnet
ausgestellt, er harre meines Besuches. Welcher
Altertumsfreund hätte da abgelehnt? Wenige
Tage später eilte ich mit einem befreundeten
Trierer Architekten, wir beide wohlgerüstet mit
Skizzenbuch und Kamera, über Gerolstein nach
Prüm, und am anderen Morgen mit dem frühesten
* „Mitteilungen über alte Trachten und Haus-
rat, Wohn- und Lebensweise der Saar- und Mosel-
bevölkerung.“ Fr. Val. Lintz. Trier igoi. 44 S. Text
und 5 Tafeln.

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