Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

DOI Artikel:
Zengeler, Anton: Die Casselburg in der Eifel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0159

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Haben wir, auf der Fahrt von Köln nach
Trier durch die Eifel, bei Schmidtheim die
Wasserscheide zwischen Rhein und Mosel über-
schritten, so senkt sich die Bahn allmählich in
das anmutige Thal der Kyll hinunter, die sie bis
zu ihrer Mündung in die Mosel als treuer Ge-
fährte begleitet. Nachdem wir die Station Hilles-
heim hinter uns haben, taucht, bei dem Durchrasen
der vielen Krümmungen, die das Thal dem Eisen-
wege vorschreibt, bald rechts, bald links, ein
mächtiger Bergkegel vor uns auf, dessen wunder-
baren Hochwald zwei mächtige Turmriesen
überragen. Der eine, von Wetter und Sturm
zerzaust, streckt seine spitzen Zacken kühn
gegen Himmel und gleicht einem trotzigen
Bettler, der auf seine Lumpen stolz ist, weil
sie die Folge des Festhaltens an einer guten
Sache sind. Der andere, unversehrt und im
Kleide seiner vollen Formenschönheit, erscheint
uns als Grand-Seigneur, der auch bei widrigem
Geschicke den Kopf hochgehalten hat.
Diese beiden Türme bilden mit den noch
im Laube des Waldes versenkten Mauern die
Überreste der sonst so stattlichen Casselburg.
Unwillkürlich wird der Fremde vom dem
Wunsche erfafst, zu schauen, was alles zu
Füfsen dieser Riesen sich in dem Waldesdunkel
verbirgt, und zu erfahren, was ihm diese Reste
über die Geschicke, über die Sitten und Ge-
bräuche, über das Leben und Treiben der ur-
sprünglichen Erbauer zu erzählen wissen.
Der Fremde, welcher sich die Mühe nicht

verdriefsen läfst, seine Fahrt in Gerolstein zu
unterbrechen und den Weg zur Casselburg ein-
zuschlagen, wird reichlich entschädigt. Aber
Mühe ist doch nicht der richtige Ausdruck.
Ein Hochgenufs ist es, im Angesichte der das Kyll-
thal umgebenden, himmelanragenden Dolomit-
wände einherzuwandern, deren Fufs bald aus-
gedehnte baumlose, doch saftiggrüne Matten
einsäumen, bald üppiger Wald, wie das Gefolge
einen Fürsten umgiebt. Sind wir jedoch oben
auf den Dolomitfelsen angekommen, so bemerken
wir, dafs dieselben von wahrhaftiger Lavaasche
bedeckt sind und dafs wir uns plötzlich in
vulkanischem Gebiete befinden.
Welch wunderbare Wandlung !
Als ehedem das Meer die ganze Gegend
bedeckte, wuchsen in ihm die Korallenriffe, die
wir jetzt als Dolomitwände bewundern. Unter-
irdische Gewalten hoben dann den Meeresboden
hoch, und die Wassermassen mufsten ihn ver-
lassen. Doch damit begnügten sich die unter-
irdischen Kräfte nicht; sie machten sich weiter
Luft durch zwei Krateröffnungen, die während
unbestimmbarer Zeit, in weitem Umkreise, mit
feurigen Massen die Landschaft bedecken : die
Papenkaule und Hagelskaule, beide jetzt noch
in ihrer Form deutlich erkennbar. Von oben
herab flofs ein feuriger Strom und legte sich
erhärtend als vorspringender Kegel vor die
Dolomitwand im Thale der Kyll. Auf ihm be-
findet sich das Ziel unserer Wanderung: die
Casselburg.

53
 
Annotationen