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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Servaes, Franz: Aus Wien, [7]
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Klein, Rudolf: Berliner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0074

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die Reform der Wiener Kunstgewerbeschule in
ihrem Fortbestand gewissermafsen gewährleistet
ist. Einige der hervorragendsten Mitglieder der
Sezession, Josef Hoffmann, Kolo Moser, Alfred
Roller, Arthur Strasser, sind daselbst zu Lehrern
ernannt worden und haben sich dadurch eine
bedeutende Einflusssphäre erschlossen. Auch
der Direktor der Schule, der rühmlich bekannte
Maler und Lithograph Felician Freiherr von
Myrbach, ist Mitglied der Sezession. Es wird
also, mögen auch noch Hindernisse zu bewäl-
tigen sein, nach durchaus einheitlichem ziel-
bewufstem Plane, beginnend beim Sehenlernen
und schliefsend bei der stilistischen Umwertung,
verfahren. Die Jugend aber strömt begeistert
zu den lustig aufgerollten Fahnen, und die
„Akademie der schönen Künste“, diese ehr-
würdig-fossile Institution, büfst an Beliebtheit
und Zugkraft spürbar ein. Schon sind einige
Absolventen der Kunstgewerbeschule, Otto
Prutscher, Hans Vollmer, Wilhelm Schmidt,
Erwin Puchinger, Max Benirschke, C. O. Geschka
u. a. sowie die Damen Gisela von Falke,
Marietta Peyfufs, Jutta Sika, Antoinette Krasnik
u. a. schaffend an die Seite ihrer ehemaligen
Lehrer getreten und arbeiten im gleichen Sinne,
mit frischer, jugendfroher Begabung weiter. Und
hinter ihnen drängen noch viele andere Talente,
die einstweilen noch die Schulbänke drücken,
indes sie bei Schulausstellungen und festlichen
Veranstaltungen schon ihre Visitkarten vielver-
sprechend abgegeben haben.
Neben der Sezession wirkt in wesentlich
gleicher Tendenz, aber mit minder straffer Or-
ganisation, der kürzlich neugegründete „Hagen-
bund“. Er hat gleich der Sezession sein eigenes
Haus, zu dem er den Teil einer Markthalle um-
gebaut hat, und bekundet zweifellos ein ehr-
liches frisches Wollen. Verbindungen mit dem
Ausland werden, aufser mit Deutschland, nicht
unterhalten, sodafs der Verein die Pflege der
„Heimatkunst“ als sein eigentliches Ziel hin-
stellen konnte, was ihm den Sonnenschein
ministerlicher und bürgermeisterlicher Gunst im
reichen Mafse eintrug. Sympathische mittlere
Begabung, die freilich das Niveau der Sezession
meistens nicht erreicht, bildet, zusammen mit der
von aufsenher zu erwartenden Förderung, für den
„Hagenbund“ eine angenehme Zukunftshoffnung.
Von der „Genossenschaft der bildenden
Künstler Wiens“, in der das Fähnlein der
Alten wacker ficht, umbraust von einem unge-
regelten Schwarm vermögender Dilettanten und
Amateure, ist kaum etwas zu sagen, als dafs
dieser Verein sich für sein Leben gerne ver-
jüngen möchte, indes bei der Jugend an An-
ziehungskraft stetig einbüfst. Gewifs giebt es
auch hier noch Talente, aber die Zusammen-
setzung ist unorganisch und das künstlerische
Ziel des Strebens schwer erkennbar.
Franz Servaes.

Berliner Brief.
In der Berliner ,Sezession4 ist ein Streit ausgebrochen.
Ich hätte nie gedacht, dass er so weite Kreise ziehen
würde. Daran war eine Erklärung schuld, die die Aus-
geschiedenen publizierten. Sie war sehr ungeschickt und
verriet aufs deutlichste wieder, dass die Schwachen sich
verkürzt fühlen. Es ist das alte Lied: in der Kunst
möchte jeder zu Worte kommen und es darf doch nur
dem erteilt werden, der wirklich etwas zu sagen hat.
Aber so streng ist der Präsident der Rezession4, Max
Liebermann, durchaus nicht verfahren, er liess, des lieben
Friedens willen, wider seinen Geschmack manchen reden,
der in der That hier nicht hätte reden dürfen. Und nun
fühlten sich diese dennoch verkürzt und rotteten sich
zusammen und lehnten sich auf wider ihren Meister.
Unter den Ausgeschiedenen befinden sich ein paar, deren
Bilder man gern dort sah und weiter sehen möchte, an
der Mehrzahl hat die Rezession4 nichts verloren. Ich
sagte, ihre Erklärung sei ungeschickt abgefasst und ver-
riete aufs deutlichste die gekränkte Schwäche. Da meine
ich den Punkt: „die Sezession hat unsere Erwartungen
nicht erfüllt, es wurde in ihr zu sehr eine Richtung, die
impressionistische der Franzosen, gepflegt.44 Dieser Vor-
wurf trifft durchaus nicht zu. In der ,Sezession4 sind
alle Richtungen zur Geltung gekommen und durchaus
ebenbürtig. Dass die Künstler einen einseitigen Ge-
schmack haben, ist bekannt und auch dass Max Lieber-
mann den sogenannten Impressionismus bevorzugt. Es
hat ihn dieser Umstand jedoch nie bei der Auswahl zur
Einseitigkeit verführt. Er lässt einfach wider seinen Ge-
schmack der entgegengesetzten Richtung den entsprechen-
den Raum und ist in der That hierbei weitherzig ver-
fahren. Aber dieser Vorwurf der Einseitigkeit ist um so
unzutreffender, da die Mehrzahl der Ausgeschiedenen sich
unter die Rubrik ,Impressionismus4 gruppieren lässt.
Gleich haltlos ist der Vorwurf gegen die dort ausgestellten
französischen Bilder. Ich betone gewiss stets den Unter-
schied zwischen deutschem und französischem Wesen,
zwischen deutscher Kunst und französischer, weise stets
auf Feuerbach hin und auf Thoma, doch die im letzten
Jahr in der Rezession4 ausgestellten französischen Bilder
waren so hervorragender Qualität — sie entstammten der
besten Periode französischer Malerei dass wir den
Leitern der ,Sezession4 nur dankbar sein sollten, es jungen
Künstlern und Kunstfreunden, die nicht die Mittel haben
nach Paris zu fahren, ermöglicht zu haben, diese Kunst-
werke zu sehen. Und damit fällt auch der Vorwurf gegen
Herrn Paul Cassirer, der noch persönlicherer Art ist, da er
bisher seinen Kunstsalon jenen Ausgeschiedenen nicht
geöffnet hat. Er pflegt zwar in seinem Kunstsalon nur
eine Richtung, doch sagte ich ja schon, dass die Mehr-
zahl der Ausgeschiedenen dieser gleichen Richtung an-
gehört. Ob er die Werke dieser Künstler nicht hoch
genug schätzt, sie auszustellen, ist seine Sache. Dass er
den französischen Impressionismus liebt, ist klar, dass er
aber auch andere Künstler zu Worte kommen lässt, hat
er durch manche Ausstellung bewiesen. Ich erinnere
nur an die umfassende Thoma-Ausstellung und die von
Thomas Theodor Heine. Ich zweifle daran, dass Herr
Cassirer, der ein feiner Kenner ist, ein Bild von Feuer-
bach und Thoma genau so zu würdigen versteht, wie ein
solches von Manet oder Renoir, doch genügt es ja, dass
er obengenannte Künstler dem Publikum vorführt. Dass
er ihre kleinen Nachtreter nicht will, kann ich ihm lebhaft
nachfühlen. Sie sind gefährlicher wie ein mittelmässiger
Naturalist. Nachdem Fritz Gurlitt tot ist, wartete Berlin
förmlich auf einen Salon Cassirer. Was er im Lauf seines
vierjährigen Bestehens dem Publikum vorgeführt hat,
gehört zu den exquisitesten Kunstgenüssen, die sich
denken lassen. Ich erinnere nur an die herrliche Renoir-
Ausstellung des letzten Winters. Und auch was er sonst
an französischer Malerei brachte, entstammte der grossen
Ernte jener Epoche, die heute schon historisch betrachtet und
gewertet wird. Die Kunst hat in seinem Salon eine ebenso
wertvolle Stütze wie in der ,Sezession4 in Max Liebermann.

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