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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schur, Ernst: Münchener Kunst: Frühjahrs-Ausstellung der Sezession
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Klein, Rudolf: Berliner Brief: (Politik und Kunst)$Rudolf Klein
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0229

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stand zu fordern. Was aber nun heute als
gleichstrebend ausgegeben und, wie oben
ausgeführt, als tüchtig mit Freuden begrüfst
wird, ist, wie oben ausgeführt, unehrlich und
affektiert, also gerade das Gegenteil von dem,
was der ,,Naturalismus“ will. Unehrlich, weil
er Fremdes verwertet, da er erkannt hat, dafs
dies Geltung hat; und affektiert, da er dies nicht
zugiebt, sondern mit dem Anspruch auftritt,
nicht als Schüler, sondern als eigene Persönlich-
keit gelten zu wollen. Wenn man genau hin-
sieht, sieht man alle die Mittel, die der Naturalis-
mus fand, weil er seinem Innersten entsprach,
hier zusammengetragen wie in einem Katechis-
mus und es ist wie eine abwechslungsreiche
Variation und wie ein Schieben von Kulissen.
Wo früher eine Persönlichkeit gefordert wurde,
sieht man eine geschickte Hand, die über eine
Anzahl angelernter Kniffe verfügt und diese
gehörig anwendet und von hier nimmt dann die
Behauptung ihren Ausgang, dafs alles sich um die
Technik drehte; was eben in dieser Weise der

Fall ist, da nichts anderes vorhanden ist. Die gute
Zeit ist vorüber; eine neue Generation noch nicht
da; inzwischen überflutet die wüste Schar der
Nachzügler, Ausbeuter und Marodeure das Land.
Doch mufs das zugegeben werden, dafs es
jedenfalls noch gut ist, wenn diese technischen
Fähigkeiten erhalten, geübt und hinüber ge-
rettet werden. Und auch das mag zugegeben
sein, dafs der Umstand, dafs man diese Räume
schon mit einem ahnenden Gefühl der Gleich-
gültigkeit verläfst, vielleicht zu einem Teil seine
Erklärung findet in dieser kunstfeindlichen Art,
die Bilder so und so vieler Persönlichkeiten
nebeneinander aufzustapeln, wo alle Gegensätze
sich notwendig verwischen müssen. Wonach
unsere Zeit strebt, ist das Verlangen, sich in
das Einzelne zu versenken.
Jedoch frage ich hier wieder: wenn diese
Lust sich hier nun nicht meldet, liegt das nicht
doch wieder an dem Mangel alles Persönlichen?
Ernst Schur.


Christian Kröner: Hirschjagd.

Berliner Brief.
(Politik und Kunst.)

Es ist eine bekannte Thatsache, man redet
je mehr von einer Sache, um so weniger man
sie besitzt. Der Kranke redet immer von der
Gesundheit, der Arme immer vom Reichtum.
Und so reden die Sprecher der Volksseele —
denn das sollten sie sein, wenn sie es auch
höchst selten sind — die Schriftsteller immer

von „Kultur“. Und woran hätte unser schönes
Land z. Zt. weniger? — Kultur: Mancher mag
fragen, was es ist und an dem Mangel zweifeln,
indem er das Wort mit Zivilisation verwechselt.
Kultur heifst zu deutsch Pflege, eine Pflege
des Innern. Unter Kultur eines Volkes versteht
man dann das Resultat dieser Pflege, d. i. die

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