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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Lücke, Hans: Blüchers Rheinübergang bei Caub: Panorama von H. Ungewitter und G. Wendling
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0043

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nicht kleiner Wagen, einer Postkutsche aus
St. Goarshausen, sowie eines pompösen alten
Familienreisewagens, welcher, im Besitze des
alten rheinischen Grafengeschlechtes derer von
Spee, seiner Zeit bis u. A. nach Wien gefahren
sein soll, doch hat derselbe damals kaum soviel
Aufsehen erregt als an dem Tage, da er aus
dem Dunkel und der Vergessenheit seiner Remise
heraus durch das moderne Düsseldorf gerollt wurde,
begleitet von Hunderten von ,,Radschlägern“, bis
er — gleichfalls durch einen Mauerdurchbruch,
wie das trojanische Pferd — im Innern des
Panoramas verschwand. Hier wird er und die
kleinere Kutsche, sowie ein Marketenderplan-
wagen als Teil des „plastischen Vordergrundes“
wirken, den Eindruck einer sehr malerischen An-
sammlung von Wagen und Karren aller Art
zu erhöhen.
Strapazen, Mühen und Sorgen hängen auch
mit einem solchen Unternehmen eng zusammen,
doch sorgt, wie man sieht, mancherlei für gute
Stimmung und Poesie.
Man braucht die Künstler nur erzählen hören;
den einen, wie er ausfuhr, gleichfalls nach einer
alten Postkutsche zu fahnden, in der — natürlich
— kein Geringerer als Napoleon von Rufsland
zurückgekehrt sein soll; nach langer Irrfahrt
durch ein Schlofs, eine Brauerei bis zu einem
Stellmacher fand sie sich denn auch in einem
Städtchen an der Erft, aber leider eher jenen
kleinen Kutschen vergleichbar, wie sie wohl in
Affentheatern verwendet werden.
Und dann die Winterstudientage in Caub —
die sich jeden frühen Morgen wiederholende
Überfahrt über den schollentreibenden Rhein
— Washington überboten — zum „Atelier“,

einer Holzbude auf der lin-
ken Seite, dem Standpunkte
des Beschauers im Pan-
orama; des weiteren die
schönen Saujagden in den
verschneiten Thälern (aber
ohne Gewehr), sowie die
vielen fröhlichen Stunden
unter der freundlichen Be-
völkerung des hübschen
Städtchens, welche sehr
wohl begriffen hat, wieviel
Ruhm und neue Ehre auch
ihrer Heimat durch dies
Panorama erwächst.
Die Studien, an Ort und
Stelle gemalt, bildeten kei-
nen kleinen Reiz der Arbeit,
doch mufste dieselbe in
dieser Beziehung vielfach
mit Phantasie ergänzt wer-
den, war doch das alte
Caub von 1813 zu rekon-
struieren, ja sogar die Spu-
ren eines ziemlich beträcht-
lichen, nach 1814 niedergegangenen Bergsturzes
zu verwischen.
In der „Engelsburg“ gegenüber Caub fanden
die Künstler auch noch eine prächtige Grofs-
mutter vor, welche Blüchers Übergang als Kind
mit angesehen hatte, vor allem aber eine Art
Jahrbuch eines Grofsvaters — allwo es unter
anderm heifst:
„1812 — ein schlechtes Weinjahr-
1813 — ein schlechtes Weinjahr —. Am 1. Januar
des Jahres 1814 ging der Feldmarschall Blücher
mit der schlesischen und russischen Armee auf
einer wachstuchenen Brücke über den Rhein.
Wer kann sie alle zählen, die Menschen —
Pferde — Wagen, die herüber gekommen
sind — — —“.
Und des weiteren erzählen diese köstlichen
Aufzeichnungen, welche den Vorgang lebendiger
machen, als das dickleibigste Geschichtswerk,
alle Rebstöcke wären weitringsum ausgerissen
worden, um die Hunderte von Lagerfeuern zu
speisen — dauerte der Übergang doch 5 Tage —,
und nachts seien die ersten Boote übergesetzt,
mit Hurra und Schiefsen trotz Verbots des
Feldmarschalls. —
Auch wurde den Künstlern eine sehr sonder-
bare Reliquie gezeigt, eine grofse Kiste mit
leeren Eierschalen; und zwar soll deren Inhalt
Blücher und seinem Stab zu einem Eierpunsch
gedient haben! —
Etwas von diesem Geiste des Selbsterlebten
des alten Buchs ist dem Gemälde entschieden
anzusehen; die schlesische Landwehr jubelt
Vater „Vorwärts“ zu, die 1. Kürassiere mit den
gewaltigen Raupenhelmen, die gelben schlesischen
Husaren, die struppigen Kosaken tummeln ihre

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