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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Fritz, Alfons: Theaterbezirke am Rhein vor hundert Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0055

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sich die dramatische Produktion gerichtet, und
es entstanden Werke mit der Tendenz von
Bertons Les rigueurs du cloitre. Als aber Na-
poleon später mit dem Papste sein Konkordat
(1801) abgeschlossen hatte, verfiel die Zensur in
völligem Gegensatz zu früher einer engherzigen
Kirchlichkeit. Zwei Beispiele mögen dies illu-
strieren: Auf Verwendung des Bischofs Berdolet
verbot der Präfekt des Roerdepartements im
Jahre 1804 in Aachen Kotzebues „Kreuzfahrer“;
schon das Tragen kirchlicher Gewänder auf der
Bühne scheint Anstofs erregt zu haben. Denn
der Chef der städtischen Polizei, Solders, ant-
wortete auf einen Verweis: „Ich kenne kein
Gesetz, das kirchliche Gewänder verbietet,
wenn sie mit gewohntem Anstand vorgeführt
werden. Man stellt Kaiser, Könige u. s. w. dar,
ohne dafs dies die geringste Sensation hervor-
ruft. Wenn das wäre, müfste man drei Viertel
der Stücke streichen und würde Schund übrig
behalten.“ Selbst Schillers „Maria Stuart“ wurde
nach der Erstaufführung in Köln 1802 vom dor-
tigen Maire nicht weiter zugelassen, weil eine
„sehr deplacierte Szene“ (die Beichtszene) bei-
behalten worden sei, und noch 1812 glänzt
„Maria Stuart“ in einer Aufstellung des Unter-
präfekten von Köln unter der Zahl der im De-
partement verbotenen Bühnenwerke. Nur in
der Beanstandung von Stücken, die für eine
verfeindete Nation irgend etwas Schmeichel-
haftes enthielten, blieb man sich unter der
Republik, wie unter dem Kaiserreich gleich.
Im Jahre 1799 untersagte die Zentralregierung
des Roerdepartements Engländer in einer „glän-
zenden und ausschliefslich tugendhaften Rolle“
vorzuführen; während des Krieges mit Rufsland
dagegen wurden vom französischen Polizei-
minister Pierre le Grand, la chaumiere mos-
covite, une visite ä St. Cyr und überhaupt alle
Stücke, die ein Lob für Rufsland enthielten, aus
dem Repertoire der französischen Bühnen ge-
strichen. Die andauernden empfindlichen Störun-
gen des Spielplans und die übrigen Wunden,
die sie dem Theaterwesen geschlagen hatte,
schien die kaiserliche Regierung nicht zu be-
merken, als sie im Jahre 1806 durch eine Neu-
ordnung der darniederliegenden dramatischen
Kunst aufhelfen wollte. Sie erblickte das Heil
einzig darin, die Zahl der Theater und Schau-
spieltruppen erheblich zu vermindern und die
bestehen bleibenden in den Rechten und Vor-
rechten, die sie ihnen zuteilte, zu schützen.
Dafs sie nebenher die Vergebung der Spielkon-
zessionen, die bis dahin ebenso wie die Zensur
— wenigstens formell — den Kommunen ver-
blieben war, für sich selbst in Anspruch nahm,
stimmte mit den übrigen Bestrebungen Napoleons
überein, die Rechte des Staates auf Kosten der
kommunalen Selbstständigkeit zu erweitern.
Die im kaiserlichen Dekret vom 8. Juni 1806
erlassenen allgemeinen Anordnungen betreffs der


E. Hünten

Studie.

Theaterorganisation führte der Ministerialerlafs
vom 25. April 1807, der in der stattlichen Form
einer kleinen Druckschrift durch das ganze Reich
verschickt wurde, im einzelnen aus. Der erste
Abschnitt führt die konzessionierten Theater
von Paris an, teilt sie in grofse mit bestimmten
Vorrechten, solche zweiter Ordnung und Annex-
theater und bestimmt die Gattung der Stücke,
die jeder Gruppe zu spielen gestattet ist. Der
zweite Abschnitt nennt die wenigen grofsen
Städte, in denen zwei Theater geduldet werden;
auch hier werden die Vorrechte des Haupt-
theaters vor dem zweiten festgelegt. Die Städte,
welche nur während eines Jahresabschnittes
ein Theater zu unterhalten vermögen, werden
im dritten Abschnitt einem der 25 Theater-
bezirke zugewiesen, die man für das ganze
Reich einrichtete.* Wer als privilegierter Theater-
direktor (directeur brevete) das Spielmonopol
für einen Bezirk zu erwerben wünschte, der
hatte sein Gesuch, womöglich zugleich mit einer
* So gehörten z. B. die Städte des Ourthedepartements
Lüttich und Spa und des Roerdepartements Aachen, Köln,
Kleve zum 22. arrondissement theätral.

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