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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Berbig, H.: Zur Geschichte des Trierer Kunstvereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0174

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verlief aufs glanzvollste. Koblenz ist in diesem Jahre an
der Reihe, und 1904 wird sich Saarbrücken-St. Johann
hören lassen. 1900 stellte der Kunstverein dem Musikfeste
seine allezeit lebendigen Kräfte zur Verfügung und ver-
anstaltete ein zweitägiges Gastspiel der wackeren Darm-
städter, das im „Zerbrochenen Krug“ mit dem unüber-
trefflichen Generaldirektor und Darsteller Emil Werner
als „Adam“ seinen Höhepunkt fand.
Von tiefgehender Wirkung war die Ausstellung der
vom weiland Oberbürgermeister Kaufmann-Bonn mit
liebevollem Verständnis zusammengetragenen reichen Samm-
lung Dürerscher Holzschnitte und Kupferstiche.
Was die Macht echter Kunst ist, und was die Erziehung
zur Kunst heisst, das liess diese Ausstellung im hellsten
Lichte erkennen. Anfangs war sie wenig besucht, und wer
nur zur Ausfüllung einer müssigen Stunde sich in die Aus-
stellung begab, den sah man zunächst mit dem bekannten
verständnislosen Blick die herrlichen Blätter der grossen
und kleinen Passion, des Lebens Mariä, der Apokalypse
u. s. w. abgrasen. Aber wie änderte sich das Bild, wenn
sich eine freundliche Seele fand, die den Erklärer spielte
und das Verständnis für Kunst und Technik des grossen
Albrecht wachzurufen verstand! Dass auf dem Boden
der alten Römerstadt nicht nur die Lust heiteren Schauens
und Ergötzens gedeiht, sondern auch ein elementarer Kunst-
drang, ein ernstester, lebt und Befriedigung heischt, das
lehrte Dürer. Die Ausstellung wurde von Tag zu Tag
mehr besucht und musste wiederholt verlängert werden.
Zu einer Aufführung der Sophokleischen „Antigone“
am 30. November vorigen Jahres begrüsste Trier das
Darmstädter Hoftheater zum drittenmale in seinen
Mauern. Zweitausend zweihundert Zuschauer!
Der Wohlklang und das Ebenmass, die Kraft und die Inner-
lichkeit, die Leidenschaft und die Lieblichkeit der unver-
gänglichen Dichtung des attischen Meisters wurde von den
Künstlern zu vollendetem Ausdruck gebracht. F r i e d a
Eichelsheim, mit reichen äusseren Mitteln ausgestattet
und das Griechentum seelisch erfassend und durchgeistigend,
liess die Gestalt der hehren heissblütigen Antigone in
ihrer ganzen antiken Grösse erscheinen, Erinnerungen wach-
rufend an die besten Zeiten der unvergleichlichen Darstellerin
hochgemuter Griechinnen, Pauline Ulrich. Als starrer
Vertreter der Herrschergewalt, Kreon, stand ihr der aus
dem Innersten schöpfende Heinrich Hacker gegenüber,
ein Darsteller, der Gedanken, Wort und Gebärde zu einem
untrennbaren Ganzen zu verschmelzen versteht. Mit Ein-
dringlichkeit und schlichter Grösse sprach und spielte Emil
Werner den Teiresias. Dieses hervorragenden Künst-
lers -klare Diktion verliert sich, wie schon sein Antonio im
„Tasso“ zeigte, weder in die Irrgärten üppiger Rhetorik,
noch trottet sie in der Pappelallee nüchterner Reflexion.
Der edle Stil der Darmstädter Künstler ist es, der die
Trierer besonders anmutet, der Stil, von welchem die
„Kölnische Zeitung“ bei Besprechung des „Tasso“ sagte,
er sei „ebensoweit entfernt von dem stark auftragenden
Pathos Possarts, als von dem Slchgehenlassen des
grossen Sprechers Kainz. Dass Verse als Verse gesprochen
werden müssen, das haben die Darsteller des Darmstädter
Hoftheaters unter dem mächtigen Einfluss des modernen
Bühnenrealismus noch nicht verlernt — und das ist gut,
löblich und erquicklich.“
Eine merkwürdige Erscheinung, aber vielleicht nur
scheinbar ein Widerspruch, dass der junge Fürst, der den
Stürmern und Drängern in den bildenden Künsten zu Darm-
stadt eine Heimstätte bot, in der es ihnen erlaubt sein
sollte, auf den Trümmern der Renaissance ihre Ideen aus-
zuleben, sich der Schauspielkunst gegenüber konservativ
zeigt und sein Hoftheater zu einer Pfleg- und Pflanzstätte
der guten alten Tradition, eines reinen Stiles echter Kunst
gemacht hat, die, unberührt von all dem zersetzenden und
zerbröckelnden Einfluss eines — nunmehr glücklich ab ster-
benden — Verismus, eine wahre Oase in der überall immer
öder werdenden Wüstenei unserer Theaterkunst geworden ist.
Bezeichnend ist auch hier wieder die Empfänglichkeit
Triers für ernste Richtung. Die „Antigone“-Aufführung war
— so hörte man vielfach aussprechen — eine Erinnerung
fürs Leben.

Von den mannigfachen Vorträgen, die der Kunstverein
veranstaltete, seien die von Loeschke, Clemen, Alden-
hoven, Hettner, Zimmermann, Leitschuh erwähnt.
Besonderes Interesse erweckten die Vorträge Hettners,
die an eine akademische Preisarbeit des Pariser Architekten
Felix Boutron, die imposante Rekonstruktion der Trierer
Thermen, anknüpfte. Boutron hatte, vom Kunstverein
hierzu eingeladen, seine zahlreichen grossen Aquarelle aus-
gestellt, die den alten Badepalast in üppiger Pracht und
Herrlichkeit wiedererstehen liessen. Manchen der Konjekturen
Boutrons, der seine Thesen selber verteidigte, fehlte die
zwingende Logik und der reale Untergrund. Spätere Nach-
grabungen erwiesen, — sofern es einer Beweisführung über-
haupt noch bedurfte —, dass der Einspruch Hettners ein
wohlbegründeter war. Die Gründlichkeit des deutschen Gelehr-
ten siegte über die Phantasie des französischen Architekten.
Dass auch entlegenere Themata dem Bildungsbedürfnis
der Trierer willkommen sind, bewies der überaus zahlreiche
Besuch des Vortrages, welchen der Bearbeiter des Dode-
kachordon von Heinrich Loritz (Glareanus, 1657), der ehr-
würdige Peter Bohn über die Entwickelung der Tonkunst
aus ihren abendländischen Anfängen und den Werdegang
der schriftlichen Aufzeichnung von Melodie und Harmonie
am 28. Februar dieses Jahres hielt.
Mit dieser Veranstaltung hat der Kunstverein einen
mit den wichtigsten musikgeschichtlich wirksamen Vereini-
gungen, dem Cäcilienverein, der Gesellschaft für Musik-
forschung (Berlin) und den Benediktinern von Solesmes in
naher Beziehung stehenden, durch zahlreiche Veröffent-
lichungen in den Fachkreisen längst rühmlich bekannten
Forscher auch einmal an der Stätte seiner beruflichen
Wirksamkeit — Bohn ist Gymnasialoberlehrer und wird
noch in diesem Jahre sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum
begehen — zu Worte kommen lassen. Als Anschauungs-
material unterstützte den Vortrag eine Sammlung liturgischer
Handschriften vom 9. Jahrhundert bis zur Jetztzeit. Als
Leitfaden fand jeder Besucher auf seinem Platze eine
Neumentabelle und ein Blatt, auf welchem am Beispiele eines
Chorals die Entwickelung der Notenschrift verdeutlicht war.
Ausserdem wurde der Vortrag durch Chorgesänge illustriert.
So wurde ein klares Bild der Entwickelung des Choral-
gesanges „aus der Sprachmelodie“ der Psalmen unter dem
Einflüsse des griechischen diatonischen Tongeflechtes durch
die Zeiten desBischofs Ambrosius und des Papstes Gregor
gewährt, der Unterschied der einzelnen „Musikdialekte“, z. B.
des mailändischen und römischen, verdeutlicht und die Be-
reicherungen bis zur antiphonischen Freiheit erläutert.
Mit Befriedigung darf der Kunstverein auf die Erfolge
seiner arbeitsreichen vielseitigenVeranstaltungen zurückblicken.
Seine diesjährige Ausstellung: „Die Eifel in der Kunst“, ist
eine Veranstaltung grossen Stils, die das Interesse des ganzen
deutschen Volkes wachrufen wird. Darum verlohnte es sich
wohl, bei dieser Gelegenheit die rühmliche Lebensgeschichte
des Trierer Kunstvereins zu erzählen.

H. Berbig.


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