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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0433

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Heinrich Zügel
München
Widerspenstig

ein Bild aus dem^i8. Jahrhundert selbst wirkt,
wenn nur seine Farbe delikater wäre. Möchte
der Künstler sich aus den Bedingungen der Zeit
so entwickeln, wie seine hier ausgedrückte Be-
gabung zu Hoffnungen berechtigt! Freilich müfste
er dann sehr umlernen. Ein Blick auf den eben
erwähnten Schreuer und auf Peter Philippi
läfst zwar einen leisen Zweifel nicht verscheuchen.
Ich erwähnte die Theorie Schreuers schon. Er
hat sie nicht rein künstlerisch hochzuhalten ver-
mocht. Abgesehen davon, dafs diese originelle
und starke Begabung nicht genügend auf den
Dekor altertümlicher Architektur und Kostüme
verzichtete, statt aus den Zeitideen zu schaffen,
hat der Künstler selbst auf seinem Gebiet nicht
genügend die strenge Selbstzucht gewahrt. Anders
steht es um Philippi, den dritten aus diesem
Bunde, den Ausgereiftesten und Geklärtesten
zugleich. Er hat sieh nie überhastet, nie über-
eilt, nie unkünstlerischer Mittel dazu bedient.
Seine Kunst, wie sie in den Bildern „Ein Besuch“
und „Winkelweisheit“ Gestalt annahm, ist eine
so reife Frucht, wie nur die glücklichsten Zu-
sammenwirkungen sie zeitigen, aber merkt der
Künstler denn nicht, dafs er mit seinem grofsen
„Nikolausabend“ an einer gefährlichen Klippe
steht, an jener Klippe, die den unentwickelten
Hermann Angermeyer noch erwartet, an der
Schreuer scheiterte, und über die Philippi glück-
lich hinausschien? Zwischen diesem Bilde und
den üblichen Genrebildern ist kein grofser
Unterschied.
In diese Gruppe lassen sich, da wir nun
einmal das Bedürfnis nach Gliederung haben,
noch zwei weitere Künstler anreihen, ein jüngerer
und ein älterer, Gerhard Janssen und Gregor

von Bochmann. An ihrem Wert wird so leicht
keiner zweifeln. Es sind sehr verschiedenartige
Künstler, sehr, und doch haben sie vom Stand-
punkt ästhetischer Betrachtung einige Berührungs-
punkte: sie verstehen beide mit dem Pinsel um-
zugehen, malen beide das Volk, und beide geben
keine Naturdetails, sondern geschlossene Vor-
gänge. Der eine malt in kleinem Format und
doch so frei und leicht und sicher Land und
Leute der Ostseeküste, der andere den Mann
seiner westlichen Heimat und zwar immer mit
dem Glase in der Hand. In einer Hinsicht er-
gänzen sich diese beiden. Den in jeder Be-
ziehung so reifen Werken des Gerhard Janssen
wäre etwas von dem Farbenschmelz Bochmanns
zu wünschen, und Bochmann hinwiederum etwas
von der schärferen Typencharakterisierung des
Gerhard Janssen. Auf einem Bochmannschen
Bilde haben wir gleich ein ganzes Dorf, es
wimmelt und kribbelt dort wie in einem Ameisen-
haufen, aber vom Seelenleben des Einzelnen er-
fahren wir nichts. Aber welch eine Fülle von
Begabung steckt nicht in den paar Künstlern,
die ich hier aufgezählt habe, wie verwandt sind
sie, obgleich verschiedenen Alters. Und dabei
Bochmann der ältere, von der Jugend geschätzt,
und die Jugend von ihm geführt wie einst in
Paris von Meissonier und in Wien von Rudolf
Alt. —
Auf verwandtem Boden wie die bisher ana-
lysierte Kunst, wuchs in Düsseldorf auch stets
die Landschaftsmalerei, wenn auch die Brüder
Achenbach — deren kunsthistorischer Wert zu
bekannt ist, als dafs er hier erwähnt und betont
werden könnte — ihrerzeit zu den Pionieren
realistischer Kunstbestrebungen gehörten nach

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