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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0440

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Wände des Schlosses Burg an der Wupper
schmücken durfte.
Um sich ein abschliefsendes Urteil zu bilden,
müfste man die Werke, vollendet, an Ort und
Stelle gesehen haben. Religiöser Geist mit
modernem Fühlen verbindet sich in ihnen.
Alexander Frenz gehört zu jenen Künstlern,
deren Altäre nach wie vor in Griechenland
stehen. Zwar ist er durchaus kein Formen-
epigone, aber die Vorgänge hellenischer Mythen
reizen ihn immer von neuem. Seine Phantasie
bedarf der Folie klassischer Architektur. Ihre
Trümmer belebt er mit den alten Gestalten.
Bleibt Eduard v. Gebhardt.
Dieser Maler ist eine Persönlichkeit, wie man
sie nicht eben häufig findet. Wie er unbeirrt
um alle Einflüsse seinen Weg geht, scheinbarer
Epigone der Niederländer, den zum Ermüden
dargestellten biblischen Legenden immer neue
Seiten abgewinnt, es ist etwas Aufsergewöhn-
liches. Es giebt ja manches in seinen Bildern,
das übertrieben und malerisch unschön ist. Aber
der seelische Gehalt ist stets so stark und eine
Wirkung unbedingt. Zwar nicht in allen Bildern
gleich. Von den hier ausgestellten halte ich für
die stärksten die kleine Kreuzigung, — ich meine
jene, auf der Johannes die einsame Mutter tröstet
und am Boden so wundervoll von Schmerz ermattet
das blonde Kind liegt —, wie gehen hier Land-
schaft und Figuren ineinander. Dann Jakobs
Traum. Diese alttestamentarische Landschaft,
diese Figur, der Stab, die Flasche, der Hut, das
alles ist in seiner Einfachheit und Selbstver-
ständlichkeit von unwiderstehlicher Wirkung.
Nichts Überflüssiges ist hier, nichts, das der
Maler hingesetzt hätte, um eine leere Stelle zu
füllen. Manche seiner stets wiederkehrenden
Figuren haben allerdings etwas Ermüdendes, so
der Alte auf dem Emmausbilde, aber wie pracht-
voll ist hier wieder die Figur des Jungen und
wie originell in ihrer Alltäglichkeit erdacht die
Frau mit der Lampe in der Thür. Der Entwurf

ist bei Gebhardt immer stark, eigen, neu. Nie
etwas Konventionelles. Es sei denn, dafs, wie
schon gesagt, einige seiner zu oft wiederkehrenden
Eigenheiten dem Beschauer allmählich so wirken.
Der Hauptwert seiner Werke und das Geheimnis
ihrer Wirkung besteht einfach darin, wie die
biblischen Legenden, trotz ihrer mittelalterlichen
Einkleidung, dem Allgemein-Menschlichen abge-
rungen sind, das heute ist wie vor tausend Jahren
und immerdar so sein wird. Ein Bibelmaler,
ein religiöser Künstler ist somit Gebhardt gar-
nicht mal in erster Linie. Unbeschadet um die
Wirkung kann man aus den meisten seiner Kom-
positionen die Figur Christi entfernen. Versucht
es bei dem Bilde ,,Christus auf dem Meere“, bei
der „Bergpredigt“, beim „Zwölfjährigen Jesus im
Tempel“. Er ist somit das direkte Gegenteil
aller Quattrocentisten, deren ganze Malerei auf
dem Dogma der unbefleckten Empfängnis beruht.
Gebhardts Kunst ist der stärkste Realismus, der
sich denken läfst. Es ist in seinen Werken nicht
einmal so viel evangelische Frömmigkeit wie in
dem Abendmahl Uhdes. Wenn man sich Geb-
hardts Abendmahl erinnert, dieser kraftvollen
Leistung, es ist entschieden eine Entwicklung
nach dem Psychologisch-Vertieften zu kon-
statieren, eine Entwicklung im Koloristischen,
aber auch manches zu stark Unterstrichene in
der Geste, das an die eigenen Bewegungen des
Künstlers erinnert. Schliefslich ist Gebhardt der
beste Beweis dafür, dafs einer ein grofser Künstler
sein kann, eine starke Persönlichkeit, ohne gleich
ein grofser Maler zu sein. Denn den meisten
seiner Werke sieht man an, dafs er mit den
Ausdrucksmitteln ringt und dafs sie im einzelnen
nicht immer wertvoll sind. Die Art aber wie
es gesehen, gedacht und empfunden ist, ver-
söhnt dann wieder. Und das ist es, was ihn
so von seinen Schülern unterscheidet: sie geben
nur die Schale des Meisters und nicht den süfsen
Kern, eine Schale, die nicht einmal immer blen-
dend und reizvoll ist.


Philipp Franck
Berlin-Halensee
Der Kaffeetisch

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