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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0441

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Benno Becker
München
Einsamkeit

II.
München und Dresden.
Eine Malerstadt im eigensten Sinne, vielleicht
mehr wie irgend eine Stadt, war München und
wäre es heute vielleicht noch, wenn nicht jener
Malertypus allmählich ausstürbe. In Paris und
London konnten die Maler naturgemäfs nie so
im Vordergründe stehen, und im alten Düsseldorf
war damals der Maler, und das war gerade
sein Vorzug, mehr Bürger wie Maler. Münchens
Triumphzeit fällt in die Tage des Makartrausches,
und mehr wie in seiner Wiener Heimat ist das
Wesen dieses Meisters vielleicht in München
allgemein geworden. Piloty hatte ja in diesem
Sinne vorgearbeitet. Es war die Zeit der dunklen
schummerigen Renaissanceräume, — in die wir
nun endlich etwas Licht und Luft lassen —, der
grofsen Kostümfeste, die Zeit der prunkenden
Ateliers, die Zeit, in der die Kunst ein Maler-
karneval war und nach Öl, Farbe und Atelier roch
wie nie zuvor und wohl niemals wieder. Jeder
Maler war damals ein Theaterrequisiteur, seine
Wohnung ein Museum; bevor er an die Arbeit
ging, mufste immer eine Kostümscene aufgeführt
werden. Nie hatten die Künstler selbst in rein-
geistiger Beziehung mehr den Zusammenhang
mit der Natur und dem Leben verloren wie hier.
Dafs bald darauf eine um so heftigere Reaktion
eintreten mufste, ist erklärlich, denn selbst die
alten Düsseldorfer Genremaler — (ich denke an
Hasenclever —), die Nazarener, der Romantiker
Schwind waren, was inneren seelischen Gehalt
betrifft, Naturalisten gegen diese Festspiel-
arrangeure geblieben. Ganz ist dieser Geist
ja nie aus München gewichen. Und auch der

Gedanke, dafs die Kunst ein Verkaufsobjekt sei,
hat dort immer allzustark geherrscht. Dann
kam, wie gesagt, die Reaktion. Aber noch zwei
Künstler unserer Tage, so selbständig und eigen
sie sind, und so weit ihr Ruhm reicht, lassen
sich schlecht ohne diese Folie denken. Ich
meine Franz v. Lenbach und Fritz v. Kaulbach.
Nicht der äufsere Kostümschwindel, wohl aber
etwas Zuviel des farbigen Geistes der Renaissance
hat sich in Lenbachs Porträts lebendig erhalten,
so unerbittlich scharf dieser Menschen-Beobachter
und -Darsteller sonst der Natur im einzelnen In-
dividuum zu Leibe rückt. Den „lebendig ge-
wordenen Geist der Galerien“ hat man den
Künstler nicht unzutreffend genannt und man
kann wohl behaupten, dafs sich auf seiner Pa-
lette die Töne aller grofsen Porträtisten des 17. und
18. Jahrhunderts mischen. Es unterliegt keinem
Zweifel, dafs Lenbach der stärkste Porträtist
des letzten Jahrhunderts ist, eben seines univer-
sellen und scharfen Auffassungsvermögens wegen.
Aber wieviel höher würde dieser Künstler stehen,
wenn er ein ebenso grofser Maler wie Psycho-
loge wäre. Seine Porträts sind eigentlich nur
gezeichnet und mit einer undefinierbaren Farbe
getönt, freilich ohne je in Geschmacklosigkeiten
zu verfallen. Die Damenporträts sind mir lieber.
Trotz der markigen Bismarckauffassung und aller
scharfen Charakteristik wirken die Männerporträts
nicht immer kräftig. Ihr wesentlichster Nachteil
aber ist des Künstlers eigentliche Unproduktivi-
tät als Kolorist; Nachteile, die man bei dem
aufsergewöhnlichen Liebreiz seinerFrauenporträts
leicht vergifst. Hier ist er von unerreichter An-
mut und Grazie. Er ist ein wahrer Dichter der
Frauenseele. — So umfassend ist Kaulbach nicht

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